Wie ich doch nicht das perfekte RomCom-Subgenre fand

Liebes Internet,

Ich habe ein sehr individuelles Problem, das quasi niemanden interessiert (das habe ich bereits auf Twitter bemerkt), und was soll man anderes tun, als noch mehr und unnötig ausführlich darauf rumzutrampeln? Nun in aller Länge und nochmal ausführlich: Wie ich dachte, ich habe mein neues liebstes Suhl-loch der Unterhaltungsliteratur gefunden und dann am Ende wütend war. (Ganz am Ende gibt es noch eine freiwillige Hausaufgabe, bei der Leute kluge Vorschläge einreichen können. Alle Fans von Vorschläge-Erteilen im Internet: Buckle up, this is your time to shine.)

Eines vorweg: Ich habe als Teenager RomComs im Nebenfach studiert und würde noch heute jemanden als zwielichtig abstempeln, der nichts von „When Harry met Sally“ hält (die objektiv gesehen beste RomCom) oder vor meinen Ohren „Notting Hill“ beleidigt (die RomCom, die für mein Teenager-Ich unabgefochten immer am wichtigsten war). Und dann irgendwann hatte ich mich wahrscheinlich übersättigt am Genre und sehr lange keine Lust mehr, dass fiktive Leute Happy Ends haben, dass fiktive Leute irgendein Quatschleben führen, bis sie einen Partner/eine Partnerin kennen lernen, und dann erst begreifen, dass sie die Wall Street gar nicht mögen und lieber Opossumkonservisten in Oklahoma sein mögen. Lieber Geschichten, bei denen sie gegenseitig an die Gurgel gehen, und/oder die Welt untergeht – möglichst viele Special Effects, erst dann lohnt sich eine Kinoleinwand.

So schleichend kam irgendwann die Lust auf Happy Ends zurück. Sicher ist das ein bisschen Eskapismus, aber es scheint keine allgemeine Gesellschaftsstimmung zu sein, weil die Auswahl ist mau. In Anbetracht der Tatsache, dass Streamingdienste Reihenweise Eigenproduktionen raushauen, ist der Ertrag an soliden, eskapismustauglichen RomComs eher traurig. Ich will für mein klassischen RomCom-Bedürfnis einen konzentrierten Endorphinshot, in 1:30h, keine Achterbahn über 5 Staffeln. Da saß ich dann und lieber alten Kram angeguckt – was auch nicht unbedingt schlecht ist, weil nun ja, Bridget Jones hits differently mit über 30, als sie es damals getan hat. („No. I like you very much. Just as you are.“ Fand ich als Teenager etwas unkreativ, aber, natürlich, jetzt verstehe ich das)

Und weil mich Filme nicht befriedigten, hab ich mich an Bücher gewandt. Das ist ein Terrain, auf dem ich noch nicht viel unterwegs war, weil ich seit jeher gar keine Lust auf Nicolas-Sparksy Literatur habe. Ich will überhaupt nichts zu tun haben, wenn da vorher, mittendrin oder am Ende gestoben wird, erzählt mir nicht, dass irgendein schicksalshaftes Tragödiendrama sehr romantisch ist. Nein. Das kann zu Greyfriars Bobby die eine Kiste von schlimmen Geschichten, die ich am liebsten die gehört haben möchte.

Was ich mich mir erwarte, ist generell gute Unterhaltung, ein glückliches Ende. Ich bin auch wirklich sehr tolerant mit Tropes. Wirklich. Ein gesundes „Enemies To Lovers“? Bei der heiligen Zweifaltigkeit Elizabeth Bennet/Fitzwilliam Darcy, aber sicher doch. Großartig, wenn beide Parteien erst einmal beweisen müssen, dass sie wirklich keine Arschlöscher sind. Bin ich dafür, ich weiß selbst aus autobiografischen Gründen, dass Etikettenschwindel keine Seltenheit ist. „Fake Dating“ – ich bin mir fast sicher, dass es mehr Geschichten über Fake Dating gibt, als reale Fake Dating Aktionen weltweit, aber es ist mir auch sehr egal. (Andere Frage, wie viele reale Menschen würden sich auf harmloses Fake Dating einlassen, nachdem es von Fiktion so geprägt ist als Highway To Eheschließung?)

Dann kam jemand um die Ecke, der alles über mich weiß und mir leider schon oft Dinge in die Hände gespielt hat, von denen ich nicht wusste, dass sie mich interessieren: Der tiktok-Algorithmus. An dieser Stelle muss ich die Türen dieses Saals für ein paar Minuten schließen, ihr könnt jetzt leider nicht weg, und müsst euch Dinge anhören, die euch mit den Augen rollen lassen. Ist auch gleich vorbei. Also. Der tiktok Algorithmus empfahl mir eine Harry Potter Fanfiction. „Draco Malfoy and the Mortifying Ordeal of Being in Love“ von isthisselfcare. (Ha! Ihr könnt nicht weg) Ich habe sie angelesen, um tiktok zu seweisen, dass ich ganz sicher keine romanlagen Fanfictions mag: Ich lese nicht gerne am Rechner/Tablet, ich will auch eigentlich die Charaktere gar nicht so weit aus ihrer eigenen Geschichte rausreißen, dafür sind sie mir zu unwichtig. Und als ich das dann beweise wollte, hämmerte ich mich aus versehen die 200.000 Wörter an einem Wochenende ins Hirn und it got me thinking.

Es ist eine Draco Malfoy/Hermione Granger Fanfiction, erzählt aus der Perspektive von ersterem. Hermione ist eine brilliante Ärtzin/Heilerin für Muggle und Zauberer (was ich mit besser vorstellen kann, als den Beruf, den Rowling selbst ihr gab), die gerade bahnbrechende Forschung betreibt, für die sie 1.) gefährlichen Kram machen muss und 2.) mit der sie eine Gruppe Bösewichte sehr verärgern würde. Sie braucht Personenschutz. Einen Auror! Nun bekommt sie aus deren Kreis aber nicht Harry Potter oder Ron Weasley, sondern Draco Malfoy, der im Gegensatz zu den anderen beiden studiert hat, und seinen Job gut und klug unterwegs ist. Der Punkt: Das Ineinander-Vergucken funktionier vor allem, weil beide enormen Respekt vor der beruflichen Leistung des anderen haben. In einer perfekten Welt könnten wir uns drauf einigen, dass das eben Sapiosexualität ist, aber leider bezeichnen sich nur außerordentlich unsympathische selbst überschätzende Menschen als sapiosexuell, insofern tun wir jetzt so, als ob es keinen Begriff dafür gäbe.

Und durch diese olle Fanfiction hatte ich zusätzlich zu der RomCom noch einen neuen Itch: Ich will bitte, dass die Protagonisten irgendwas Schlaues mit Herzblut tun. Ich mags sehr, wenn Figuren von ihrer Materie erzählen, egal ob ich alles verstehe, oder nicht. Ich kenne das aus Science Fiction (Andy Weir!) und fand es da toll, es gibt überhaupt keinen Grund, warum sich potenzielle Partner nicht auch ordentlich vollnerden sollten. Gerne.

Nun lebt aber die erste Hälfte von RomComs davon, dass Menschen ihre Tätigkeiten hassen, dass sie irgendwo verloren sind in herzlosen, großen Firmen mit sadistischen Führungskräften. Dass (ihr könntet jetzt wieder gehen, der Fanfiction-Exkurs ist vorbei) Frauen, die akademisch unterwegs sind, zwar ein gutes Herz haben, aber Respekt von der Masse des Volkes gibt es erst nach Umstyling (und Boyfriend). Sagen wir so: Ich habe Informatik studiert und arbeite in einem Konzern. Nach RomCom-Logik ein komplett minderwertiges Dasein. Das ist schon ein bisschen kränkend. Insofern war ich nun nach folgendem auf der Suche: RomComs mit Frauen, irgendwo unterwegs im STEM-Feld, die ihr Feld lieben, bisher aus eigener Kraft darin voran kamen und nicht drauf warten, eine insolvente Kerzengiesserei in Nordkanada zu retten.

Ich fand (über tiktok…..) Ali Hazelwoods „The Love Hypothesis“ und dachte, das ist das Bullseye meiner Begierde. Hazelwood selbst ist promovierte Neurowissenschaftlerin und sie gibt und hier eine promovierende Biologin, Olive, die Fake daten muss (Oh, die Arme!) mit einem allgemein gehassten jungen Professor, Adam. Mein erster Eindruck war ziemlich positiv, Olive war eine gute Identifikationsfigur. Es gibt eine Stelle, das wird zu Olive ein Satz bezüglich ihrer Selbsteinschätzung gesagt, den ich quasi wortwörtlich so ein paar Stunden zu vor selbst gehört habe, ich kicherte und war mir sicher, Fast-Dr. Olive und ich sind jetzt Blutsschwestern und sie kann sich darauf verlassen, dass ich ihr jedes romantische Manöver von ganzem Herzen gönne. Wobei, ich hab mich da schon gerade, wo denn der junge Professor, der wirklich viel arbeitet, die Zeit findet, seinen Body-Builder-Körper zu hegen und pflegen. No offense, aber das schaffen nicht mal meine Sims, wenn ich ihre Grundbedürfnisse wegcheate. Später habe ich gelernt, dass der Roman aus einer Rey/Kylo Ren-Fanfiction entstanden ist und Adam vorzustellen ist wie Adam Driver. Na gut.

Und weil das Erlebnis so okay war, las ich direkt die sogenannten „STEMinist Novellas“ von Frau Hazelwood: Drei Kurzromane, über drei Ingenieurinnen, die zusammen studiert haben und jetzt jeweils mit Typen aus ihrem neuen Leben nach dem Ph.D. involviert werden. Zuerst las ich die Geschichte der Raumfahrtingenieurin: Und es kam mir gekannt vor. Besonders der beteiligte Mann: Ausnahmsweise hatte er rote Haare, aber sonst: Groß wie Adam, breitschultrig wie Adam, durchtrainiert wie Adam, gleiches „Die Leser verstehen sofort, dass ich in meinem Leben keine andere Frau außer der Protagonistin haben möchten, jemals, aber sie rafft absolut nichts“ Verhalten wie Adam. Alles wie Adam. Ich war irritiert, kurz glaubte ich, die Novelle war vielleicht zuerst da, und dann kam der Roman als lange Version von Science-Hunk in Love? Dem ist nicht so, sagt Wikipedia. Nun, nachdem ich aber eh alle drei Geschichten auf einmal gekauft habe, muss ich die jetzt auch alle lesen, und sei es als Experiment.

Dann steht die Umweltingenieurin vor ihrem großen, gut gebauten Mitbewohner, dessen Hemd ganz schön spannt wegen seiner Muckis. Ab dem Zeitpunkt war ich frustriert, warum ich mir diese Zeitschleife immer wieder ansehen muss, ohne dass ein einziges Murmeltier mitspielt. Und Punxsutawnwey Phil für 500: Der als ‚Corporate Thor‘ bespitznamte Man, den die dritte STEMinistin, die Bauingenieurin im Aufzug trifft, hat diesen Körperbau.

Ich habe jetzt viermal sehr ähnliche Geschichten gelesen. Und ja, vier sehr ähnliche Sexszenen. Alle großen breitschultrigen Männer betraten mit beachtlichen körperlichen Voraussetzungen die Bühne, alle waren sie eher am Geben als am Nehmen interessiert – und wahrscheinlich weil alle Adonisse nie besonders an Frauen (oder Männern) interessiert waren, bis die Protagonistinnen in ihr Leben traten, hatten sie alle kein Kondome dabei. Wie absurd es ist für mich als Leserin, die selbe bekloppte Kondom-Szene viermal zu lesen. Schlimmer noch. Die vierte Geschichte hatte zunächst ein Kondom, und ich dachte, wir hätten den Fluch gebrochen, nur um dann ein paar Seiten weiter keins zu haben.

Und weil es so schön ist.
Die Biologin: „Oh it doesn’t matter. I’m on birth control. And clean.“
Die Raumfahrtingenieurin: „But I’m on the pill. We can do it without anything if you’re not giving me gross STDs“
Die Umweltingenieurin: „Are you clean? Because I’m on the pill, and..“
Die Bauingenieurin: „I’m – we’re good. Pill.“

Wo fang ich an? Wenn in deren Welt 2022 ist, würd ich sagen: Eeeeh, unwahrscheinlich, dass alle diese schlauen informierten und laut Handlung eher nicht sexuell aktiven (außer der Raumfahrtingenieurin) Frauen die Pille nehmen. Vielleicht ist es in den USA anders, aber in meinem Umfeld stehen eher die gesundheitlichen Risiken und Nebenwirkungen extrem in der Kritik. Und natürlich die Tatsache, dass dieser hormonelle Eingriff Frauen, Teenagerinnen, zugemutet wird, während man den männlichen Hormonaushalt in Frieden lässt – als wäre Verhütung reine Frauensache. Das ist der feministische Standpunkt. Ich frag mich schon, wie Geschichten, die betont feministisch sein möchten, explizit diese merkwürdigen „Egal, ich verlass mich drauf, dass du schon keine Geschlechtskrankheiten hast“-Szenen da rein bringt. Dann lieber ganz weglassen?

Ähnliches Problem mit den Chippendales-Körpern. Da sind wir Frauen dabei, zu propagieren, dass jeder Körper schön ist, weg von den unrealistischen gephotoshoppten Idealen an unsere Körper. Würde ich ein Buch von einem männlichen Autor lesen, der eine weibliche Protagonistin erzeugt, mit einem BMI von 10 aber gewaltigen Brüsten: Ich würde mit den Augen rollen, und schimpfen, dass er sich lieber mit einem gepflegten Hentai verzupfen soll statt irgendwas biologisch sehr, sehr, unrealistisches und ungesundes als menschliches Objekt der Begierde zu verkaufen. Und andersrum ist es aber… okay? Ich finde nicht. Was anderes ist es jetzt, wenn mir ein Chippendale-Feuermann meine fiktive Katze aus einem brennenden Haus rettet. Dessen körperliche Fitness ist maßgeblich für erfolgreiche Katzenrettung, alles gut. Wissenschaftler, die Nächtelang vom Snackautomaten leben? Hm. Ist das nicht eine etwas unfaire Forderung? Oder, falls Individuum die gesamte mickrige Freizeit mit Körper stählen verbringt, ist das denn dann nicht schwierig, wenn die Partnerin gar nicht mal so gerne über Eiweißshakes und schweißnasse Hantelbänke spricht? Und ja, yay große Männer, aber mussten da jetzt alle vier riesig sein? Wären sie sonst weniger toll? Wir sind hergekommen, um und über intelligente, liebenswerte Forscher zu freuen, nicht ausmaximierte Gestalten, neben deren Perfektion man sich doch eh immer kümmerlich fühlen muss. Und leider ist es ja auch nun mal so, dass absurd attraktive Menschen wissen, dass sie absurd attraktiv sind. Vorsichtig gesagt, die, die mir begegnet sind, nehmen weitaus mehr Entgegenkommen als selbstverständlich an, als sie charakterlich verdient hätten. Long Story short: Ich hab mich echt nicht gut dabei gefühlt, fiktiven Männer nachzulechzen, deren weibliches Korrespondent mich wütend gemacht hätte.

Nun ja, dafür hab ich jetzt ein gutes Gefühl, worauf die Autorin so steht.

Was habe ich daraus gelernt? Diese ganze STEMinist-Sache war mir nicht Feminist genug. Bin ich zu wählerisch? Vielleicht. Ich bin aber sehr offen für Buchvorschläge, die in die Richtung gehen (das ist der Teil mit der Hausaufgabe). (Es muss nicht STEM sein).

PS Hiermit entschuldige ich mich bei allen Magic Mikes der Forschungslandschaft, denen ich die Existenz abgesprochen habe. Sorry.

Pokémon 1997 Space World Demo

Aktuell reicht meine Energie neben Arbeit und Lebensmittelversorgung gerade so für stundenlange Videospiele – das ist okay, wird hoffentlich bald wieder anders und gestern habe ich immerhin was gemacht, über das ich sogar ein paar Sätze schreiben kann. Hurra!

Jeder hat so Dinge, bei denen der Nerdpuls hochgeht, bei mir sind es unoffensichtlicher Content in den ersten beiden Pokémon-Spielgenerationen. Ich besaß als Kind nach langem Betteln einen GameBoy Color, meine einzige „Konsole“, bis ich alt und liquide Genug war, mir selbst weitere zu kaufen. Und Pokémonspiele waren mein Ding. Die Sache ist (und eventuell muss man dabei gewesen sein), neben dem Hauptspiel kam das Spiel mit so viele „Mysterien“, wie ich es davor und danach nie wieder erlebt habe. Die Spiele waren nämlich unperfekt und voller Bugs und Glitches, einige davon konnte man für Exploits nutzen, unendliche Items, unendliche starke Pokémon, legendäre Pokémon.

Verbreitet wurde das über Schulhofgeflüster. Ich weiß nicht, ob es an anderen Schulen anders war, bei uns hatte man keine GameBoys dabei, keine Beweise. Es gab eine seltsam klingende Story, was man machen müsste um Mysteriöse Sache XY hervorzurufen, immer ein bisschen Urban Legend mäßig: „Ich schwör, bei meinem Cousin hat das geklappt.“ Dann saß man zuhause und hat Blödsinn ausprobiert, stundenlang. Ich möchte nicht sagen, früher was alles besser, kann mir aber vorstellen, dass moderne Kinder eher Fakten-Checker wären. Google doch mal, ob das wirklich geht, zeig mir doch mal ein YouTube Video dazu. Ohne solche Möglichkeiten verbratete man Stunden, weil: warum sollte der Cousin lügen? Und alles sind immer Halbwahrheiten – Ja, man entdeckt wirklich einen merkwürdigen Gegenstand (nur kann der nichts), ja, die Karte sieht an der stelle wirklich anders aus (nur bedeutet das nichts). Für die Insider: Ich habe Tage verbracht, Bill zu beeindrucken, dass er mich endlich in seinen Garten mit den legendären Pokémon lässt.

Und dann gab es Dinge, die wahr waren. Für mich war mein erster Glitch sehr monomental, als hätte ich den Schrank zu Narnia aufgemacht, als wär da nochmal eine ganze Spielewelt, in der ganz andere Regeln gelten, und ganz andere Dinge möglich sind. Klingt überzogen, aber was ist, wenn das alles Absicht ist? Wenn die korrupten Spieldaten doch was zu bedeuten haben? Die würden einem doch nicht ohne Grund plötzlich einen Pixelhaufen auftauchen lassen, ein nulltes Pokémon namens Missingno. Und jeder weiß, dass die Hintergrundmusik von der Geisterstadt Lavender Town japanische Kinder in den Suizid hypnotisiert haben soll. (Tatsächlich ein global verbreitetes Gerücht, stimmt aber nicht. Was stimmt, ist, dass eine explosionsreiche Folge des Pokémonanime um das seltene Pokémon Porygon bei einigen Kindern in Japan zu epileptischen Anfällen führte und sie dann aus dem Programm genommen wurde.)

Einige Glitches wurden erst weit nach der eigentlichen Hochzeit der Spiele entdeckt und verbreiteten sich dank Internet und Leuten, die nicht nur Cousins waren, sondern Beweismaterial anfertigen konnten, sehr effizient. Das bedeutet: Bis zum heutigen Tag rechne ich damit, vielleicht noch etwas neuen zu lernen über die Spiele, die zum Teil 25 Jahre als sind.

Leider sind die neuen Spiele diesbezüglich relativ unspektakulär. Alles ist transparenter, einige Dinge, die früher so selten waren, dass sie einem auf dem Schulhof nicht geglaubt wurden, sind mittlerweile (auch durch Pokémon Go) Grundwissen. Müsste ich heute die Nachbarstochter bis zum beleidigt sein versuchen zu überzeugen, dass das eben gefangene Rettan auf dem farb-armen Gambeboy Display ein bisschen anders aussieht als normale Rettan? Wohl nicht. (Ich verlor das Rettan, mein einzig andersfarbene Pokémon der frühen Edition wenige Wochen später, als ich bei einem Klon-Unfall – man musste den GameBoy beim Pokémon tauschen im richtigen Moment ausschalten – versehentlich meinen Pokémon-Bestand ausrottete. RIP)

Neuerdings verbringe ich manchmal die Mittagspause mit dem Gucken von YouTube-Videos, die möglichst weit weg sind von Arbeit. (Für was Tolles ist in einer Essen-Kochen-Essen-essen Home Office Mittagspause keine Zeit) Manchmal sind das Pokémon-Videos. Hin und wieder auch die mit den Clickbait-Überschriften, weil ich mich dann in der Genugtuung sonne, dass mich die 15 things you didn’t know nicht überraschen. Zu meinem Entsetzen musste ich da letztens feststellen, dass ich gepennt habe und die wohl wichtigste Enthüllung der letzten Jahre verpasst habe: Der Leak der 1997 Space World Demo.

Die 1997 Space World Demo war eine Demoversion für die zweite Generation der Pokémonspiele, die auf der Nintendo Space World 1997 vorgestellt wurde. Ich habe nicht mitbekommen, dass das Internet nervös gewesen wäre, dass diese Demo signifikant gewesen sein könnte. Ich meine, dass sie ziemlich an der Community vorbei ging, eventuell aber auch nur an mir. Jedenfalls: 2018 hat jemand ROMs dieser Demo geleaked. Und dann wurde sie zum großen Thema.

Obwohl man in der Demo selbst nicht viel machen kann, ist im Spiel bereits ein kompletter Pokédex der geplanten Pokémon hinterlegt, komplett mit Sprites und allem. Und viel davon hat sich nach der Demo noch geändert, es schießt also ein ganzer Satz unveröffentlichter Beta-Pokémon aus dem Boden, 21 Jahre nach dieser Demo. Statt dem Wasserstarter, dem Krokodil-Pokémon Karnimani hätte es eine (viel süßere) Robbe geben sollen, namens Kurusu (etwa „Cruise“), die sich in einen coolen Robben-Drachen entwickelt und statt dem Feuer-Erdferkel Feurigel hätte es einen Feuer-Bären Honōguma gegeben. Es waren Babyversionen von viel mehr Pokémon geplant, und zwar auch für niedliche wie Ponyta, Mauzi, Fukano und Vulpix, nicht nur so Gestalten wie Magby. Ist das nicht großartig? Wie es immer neue spannende Sachen gibt?

Nun, die ROM gab es also, und weil ich ein Connaisseur bin, hatte ich keine Lust auf einen Emulator und musste gucken, ob ich die nicht irgendwie auf meinen GameBoy geprügelt bekomme. Es gibt Dinge, die man kaufen kann, und zwar GameBoy-Cartridges mit einem (micro) SD-Slot. Vielleicht gibt es auch andere Lösungen, aber das erschien mir eine runde Sache zu sein. (Ganz günstig ist es nicht, man muss sich schon ein bisschen einreden, dass es wirklich wichtig ist.) Mein Device nennt EZ-Flash junior und ich habe es von einem französischen Reseller auf amazon gekauft. Gestern kam das Ding an, und es hat fast sofort funktioniert, muss nur die Dateiendung der ROM anpassen.

Es ging dann weiter, dass ich mir eine Weile ins Fäustchen lachte. Man kann in der Demo halt wirklich nicht viel tun. Man startet, hat bereits eines der drei Startpokémon (zufällig) auf Level 8, das Pokémonlabor ist geschlossen, man kann ein bisschen herumlaufen. Die Start und Select-Buttons haben für mich nicht funktioniert, somit habe ich kein Menü zur Verfügung. Am Anfang hielt ich es für Absicht, könnte aber auch ein Bug sein, nachdem ich aber meine, dass der PokéCom (quasi ein Fatasie-Smartphone) auch demonstriert werden sollte, auf den man so ja gar nicht zugreifen kann.

Ich werde die nächsten Tage mal gucken, was die Demo noch so kann. Vielleicht ist das eine gute Möglichkeit, zu lernen, wie man Informationen aus dem Code zieht: Habe ich noch nie gemacht, weil es mühsam ist und schon alles im Internet ist, aber bei so einer Demo ist vielleicht die Relation von sichtbarem, uninteressantem Content, und geheimen Content belohnender.

Hier der Pokéwikieintrag mit allen Sprites. Viel Spaß auch mit Beta-Remoraid und Beta-Octillery (??!) – und bitte bemerken, dass die legendären Hunde wie Hunde aussehen.

Die ROMs verlinke ich nicht, ist aber googlebar.

(Das war alles sehr spannend, ich hoffe, es war nicht der letzte noch unbekannte Inhalt, der aus den Spielen auftaucht.)

(Unkoordinierte Gedankenausschüttung zum Weltgeschehen)

Ich dachte mir: „Wieder ein bisschen Schreiben wäre nicht schlecht“ aus verschiedenen Gründen. Mit dabei war auch quasi Gedankenyoga. So ähnlich wie Tagebuch, aber Tagebuch kann ich nicht, weil ich mir immer einen Leser (oder Hörer oder Zuschauer) denken muss, sonst ist das im Kopf ja nicht wirklich losgeworden, sondern nur in die Schublade gestopft, in die man alles stopft, von dem man nicht richtig weiß wohin. Deshalb mache ich das heute trotzdem, auch wenn ich nicht richtig weiß, wo mir der Kopf steht, und ich auch keine autorisierte, wichtige Meinung habe. Ich kann nur unsortierte Gedanken liefern:

Diese Woche war Afghanistan und dann konnte ich am Ende des Tages nicht. Ich habe alle Abende dieser Woche vor der PlayStation verbracht. Vor einiger Zeit hatte ich mir „Shadow of the Tomb Raider“ geholt und seit dem hat es in der Schublade auf seinen Auftritt gewartet.
Ich spiele gerne PlayStation, aber nicht wahnsinnig viel. Es ist mein vereinnahmendstes Medium und meistens möchte ich genau das nicht. Spiele ich Sims am PC, kann ich nebenbei ein Hörbuch oder Podcast hören. Spiele ich auf der Switch, kann ich nebenbei eine Niedrigaufmerksamkeitsserie gucken.

Und jetzt, jetzt habe ich genau das gebraucht: Augen und Ohren Beschäftigt, Hände beschäftigt, Kopf mit irgendwelchen Spielzielen beschäftigt, Sofa, zugedeckt, Tee und Snacks in Reichweite. Näher komme ich nicht ran an den Maintenance-Modus, den ich den Gedanken wenigstens für ein paar Stunden geben möchte. (Manche Menschen schaffen das vermutlich auch beim Lesen, ich nicht, ich muss grundentspannt sein beim Lesen, sonst wirds nichts.) Habe mir extra ein Spiel mit recht geradliniger Handlung ausgesucht. Ich liebe Open World Spiele, aber gerade möchte ich, dass mich jemand an der Hand nimmt und sagt, was als nächstes zu tun ist.

Wir sind alle Krisen-Nachrichten gebeutelt. Was ich bei Afghanistan fühle, ist eine nochmal neue Nuance von Hilflosigkeit.
Es ist ein bisschen verwandt mit der Pandemie-Emotion, die ich 2020 kennen lernte. Die geht in etwa so: Ich dachte nicht, dass uns das passieren kann, wir sind doch eine hochgebildete Gesellschaft und Seuchen sind für Mittelalter, Schützengräben und Hungerwinter. Und warum verhalten sich so viele Menschen so dumm?
Daraus habe ich gelernt: Nein, wir sind leider nicht besonders unverletzlich schlauer-als-alles-andere.

Ich bin sehr pazifistisch. Militärische Dinge lehne ich mit einer an Naivität grenzenden Entschiedenheit ab, so weit, dass ich mich so gut wie gar nicht für Militärflugzeuge interessiere. (Naivität hier ist: Natürlich weiß ich, dass viele technologische Themen aus militärischer Motivation vorangebracht werden, dass da viel Geld für Forschung liegt usw.)

Mein Umfeld, gerade online, ist weitestgehend woke unterwegs. Ich habe gelernt, dass man langfristige Auslandseinmischungen generell skeptisch sehen sollte, weil sie (mit Ausnahme von NGOs etc) meistens nicht humanistisch motiviert sind, sondern es um so Dinge geht wie Erdöl. Und Macht. (Hängt zusammen)
Ich habe in meinem Leben schon viele Texte gelesen in die Richtung: Wie Weiße als Retter ankamen und das Land zerstört haben.

Hätte man mich gefragt, was ich denn persönlich von westlichen Soldaten in Afghanistan halte, hätte ich gesagt: Och puh, ich weiß da nichts Näheres, aber jetzt nach zwanzig Jahren können die vielleicht auch wieder aufhören, das Land zu besetzen. Ich glaube nicht daran, das Militär-Präsenz das Mittel zum Frieden ist.

Das hätte ich gesagt, weil ich nicht informiert bin. Das liegt auch daran, dass mir – als jemand, der nicht explizit nach Berichten sucht – nie irgendwas unterkam, dass mir erklärte, wie fragil die Demokratie in Afghanistan tatsächlich ist. Das auch nach zwanzig Jahren die Regierung (und Armee) dieses Landes nicht fähig ist, sich selbst zu schützen.

Jetzt möchte ich, dass die Bundeswehr Menschen rettet, mit ganz vielen von diesen A400M-Dingern, dass Frauen selbstbestimmt leben dürfen (Was natürlich nicht per so durch den Islam beziehungsweise auch die Scharia widerlegt ist, es kommt auf die Interpretation an, das wissen wir hoffentlich alle.) und alles gut ist. Und überhaupt: Dass westliche Truppen unterstützt ist jetzt das Gute, dass sie abzogen das Schlechte.

Und obwohl es nur um meine lächerliche persönliche Meinung geht: Es ist ein sehr betäubendes Gefühl, wenn man merkt, man weiß gar nichts, man sieht die Dinge vielleicht zu einfach und vor allem: Verdammt, die Welt ist ja noch grausamer, als gedacht.

Uff.

Wenigstens kann man gegen die Hilflosigkeit ein bisschen anspenden. (Bitte!)

Und jetzt muss mein Kopf wieder darum kümmern, eine reiche Engländerin in Cargohosen beim Klauen und Zerstören von Kulturschätzen zu unterstützen. (Eigentlich sind unsere Privilegien schon ziemlich ekelhaft.)

Nina’s Reisetagebuch Teil 0 – Wow! Voll aufgeregt!! *freu*

Hallo, ich bin Nina und ab jetzt blogge ich bestimmt wieder regelmäßig. Ich möchte hiermit ein vorerst befristetet Engagement vereinbaren und dann gucken wir einmal, was daraus wird.

In knapp zwei Wochen reise ich wahrscheinlich (allein) nach Japan und da dachte ich mir, ich schreibe regelmäßig darüber.  Einerseits, um wieder eine Schreibeaufgabe zu haben, andererseits, weil pseudointeressante MeinAufenthaltImAusland2017diary4u.wordpress.com (Passwort: weißwurstgoessushi123) Literatur mein Nemesis ist.

  • Mir ist bewusst, dass ich eure selbsterklärte #wanderlust-Queen bin, und mehr gereist bin als die letzten neunundzwanzig Generationen eurer Familien zusammen. „Ich reise gerne!“ ist das, was mich vom Rest der trostlosen Millenials abhebt und mein ultimativer Catchphrase. Bitte merken und Bescheid sagen, wenn ihn jemand unautorisiert verwendet hat.
  • Ich bin fähig, mein Erlebtes packend und emotional wiederzugeben. Kostprobe: „Wow, was für ein Tag!“ und „Schwuppdiwupp war der Zug weg! Mist!“
  • Ich zögere nicht, aufzuzeigen, wo sich die einheimische Bevölkerung fehlerhaft verhält und biete Lösungsvorschläge an.
  • Ich kann im Schlaf die besten Smoothiebowl-Venues zwischen Spitzbergen und Feuerland rezitieren, so dass es ein Kinderspiel wird, auch in Ländern mit evolutionär vernachlässigten Nahrungsmitteln den Antioxidatien-Level optipropti zu halten! (email für Zusammenarbeit findet ihr in der Bio!)

Nun, ernsthaft. Oft scrolle ich irgendwann nur durch die Bilder bei Auslandsblogs, und hab mich bisher vor der Herausforderung gedrückt, es selbst so richtig zu versuchen. Zumindest hab ich keine Lust, mit meiner Reise anzugeben, und das ist glaube ich eine ganz gute Grundeinstellung. Man kann dann auch nur durch Bilder scrollen, versprochen. Das ist auch so ein Hauptding: Vielleicht mal Bilder schon am selben Abend sichten und nicht erst fünf Jahre später.

Japan, mein guter alter Freund


Mein Eskapismus-Land ist Japan. Glaube ich, ich hab ja auch noch nicht alle Länder der Welt gesehen, aber Japan führt bisher die Liste der Eskapismus-Länder an. Das ist so, weil ich Asien sehr mag, seit ich 2005 das erste Mal in Singapur war. Singapur verband Wet Markets und Moderne und Grünzeug. Leider hat Singapur dann so viele dubaiartige Sachen gebaut, und jetzt ist es kein Eskapismusland mehr, sondern der Vorhof eines Infinity-Pools. Japan braucht keine Infitity-Pools, in Japan wird gesittet nackig gebadet und überhaupt ist dort alles so anders, dass es sich genügend weit weit weg anfühlt. Außerdem zelebriert es Nerdtum, das ist sehr angenehm. Auch, wenn alles nicht so uneingeschränkt positiv konnotiert ist, wie wir uns das gerne vorstellen: Wer Züge toll findet, wird sich endlich verstanden fühlen. Davon kann man sich super anstecken lassen. (Japanische Züge sind auch toll. Und sie sehen alle so verschieden aus und haben coole Namen). Außerdem ist die Natur sehr schön, das Essen lecker und die Menschen passen in der Regel zu meiner Definition von „angenehm“.

Man kann sich zwar nicht darauf verlassen, dass jeder Englisch spricht, aber es gibt Speisekarten mit Bildern (oder Modellessen aus Plastik) und Trinkgeld existiert nicht. Ist das nicht schön? Manchmal weiß ich zwar nicht, was ich esse, aber der Stresslevel ist so viel niedriger als sich von einer amerikanischen Fastfoodperson genervt anschreien zu lassen, weil einen beim ersten Besuch fiese Menüdetailrückfragen auf dem falschen Fuß erwischen.

Menschen, die meine Autobiografie gelesen haben, wissen, dass ich bereits 2013 für einen Monat in Japan war. Damals habe ich mir einen Zugpass für eine Woche geholt, reise nach Miyajima und Kyoto und war anschließend drei Wochen in Tokio bei so einem Sprachkursding, bei dem man auch Ausflüge machte und sowas. Es war sehr schön. (Davor habe ich zwei Semester einen Japanischkurs an der Uni besucht. Ich kann also fließend nach einer Toilette fragen.) Dieses Mal wird es etwa zweieinhalb Wochen Zug, hoffentlich, und ein paar Tage Tokio. Ich würde gerne länger und ich wäre gerne im japanischen Herbst, aber das Leben ist kein Wunschkonzert. Und ich hatte nicht so viel terminliche Freiheit, wenn ich dort meine letzten Wochen studentisches Dasein auf den Kopf hauen möchte.

Jetzt ist das noch so: Ich fliege stand-by, also ich weiß noch nicht genau, wann, von wo und wohin. Die Passagierzahlen schwanken auch viel stärker, als ich dachte und ich versuche praktisch, mich jede Woche mit einem neuen Reiseroutenausgangspunkt anzufreunden. Letzte Woche war Frankfurt – Nagoya mein Realistischstes, diese Woche wieder München – Tokio. Von sieben Flügen an drei Tagen, die irgendwie gehen, ist der letzte ein ziemlich sicheres Ding, aber nur schaffbar mit einem anschließenden Inlandsflug und eigentlich will ich gemütlich am ersten Tag fliegen. Please include me in your prayers.

(Der Flugzeugtechnisch interessanteste Flug, Frankfurt – Tokio mit der 747-800 ist leider ziemlich unwahrscheinlich. Es bleiben die 747-400 Frankfurt – Osaka, 340-300 nach Nagoya und 340-600 von München nach Tokio. Ja, ich weinte sehr, als ich sah, dass Frankfurt – Tokio seit kurzem nicht mehr mit A380 bedient wird. Insofern gibts jetzt da keine Präferenzen.)

 

Longasumma*

Solange es ging, war ich ein Wochenende im Monat in Österreich, im Lungau, wo mein Vater herkommt. Mit dem Studium wurden meine freien Wochenenden etwas weniger und schließlich mit dem Tod meiner Oma, die eine Frühstückspension leitete, war der Lungau nicht mehr selbstverständlich und ich vermisse das meistens schlechte Wetter, den Dauerregen in den Bergen, das Wasser, das selbst aus dem Wasserhahn so kalt ist, dass es morgens schmerzt, das Gesicht zu waschen, die besseren Heidelbeeren (schwåchzbee) und den Schnee bis man die Kreuze auf dem Friedhof nicht mehr sieht.

Ich habe irgendwann bemerkt, dass ich mich dem Lungau tatsächlich mehr verbunden fühle als dem Ort, an dem ich tatsächlich die meiste Zeit lebte. Im Lungau hab ich einfach meinen Frieden, vielleicht auch, weil ich dort nie etwas musste und weil ich dort noch nie eine Ampel sah.

Ich versuche, wenigstens ein sonniges Sommerwochenende dort rumzuhängen und die Verwandtschaft auf der Muhreralm zu besuchen. Diesmal wollte ich noch an der Longa im Weißpriachtal entlanglaufen, die früher eins meiner Lieblingsausflugsziele war uns die inzwischen bei der UNESCO und/oder im ORF Karriere gemacht hat und jetzt deutlich mehr Touristen anlockt, aber so lange sie klar bleibt, ist mir das fast egal.

Hier ist Bilderspam. Jeder sollte einen happy place haben.

Weiter nach oben ging es kaum, weil durch einen unglücklichen Zufall waren die Wanderschuhe in einem Kofferraum zurück ins Tal gefahren. Bergsteigen in Birkenstock.

Der Lüftungskaminirgendwas des Tauerntunnels, aber erinnerte mich ein bisschen an „Firewatch“.


Titel eines Songs der Lungauer Band Querschläger (vom Album „lungoland“, Hörbeispiele inklusive)

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TKKG und die geheimnisvolle Sapodilla

Mein Hobby ist, meine Kindheitshobbies einfach weiterzufeiern. Das fällt mir auch immer sehr einfach, weil in meinem Hirn ein sehr großer Bereich für Kinderkram reserviert, ich mich immer noch an vieles erinnere und immer gleich wieder drin bin.

Kinderkrimis, wichtiges Thema. Ich hab noch nicht so recht was gefunden, was Erwachsene lesen, wenn sie eigentlich Ein Fall für dich und das Tiger-Team lesen möchten und was man spielt, wenn man eigentlich TKKG möchte und keinen CSI-Quatsch.

Ich war früher sehr begeistert von den TKKG-Spielen von Tivola, besonders Teil 8, „Das geheimnisvolle Testament“ und Teil 3, „Der Schatz der Maya.“ Ich hab zwar in meiner Erinnerung jedes nur etwa dreimal gespielt, wahrscheinlich war da eher im unteren Millionenbereich. Ich kann das gereimte Testament auswendig aufsagen und aus dem Maya-Teil habe ich auch noch viele Bruchstücke im Kopf. (Papirossi. Russisch. Mit Knickfilter. Ganz seltne Marke.)

Im Maya-Spiel werden aus dem Museum zwei Jadeköpfe, von Hunahpú und Ixbalanqué, gestohlen und man muss diese aufsprühen, diverse Mysterien aufklären und die Welt retten, in dem man mit je einer Person der vierköpfigen Detektivgang Leute befragt und russische Zigarettenstummel aufsammelt. Ganz am Anfang hängt man sehr viel im Museum bei der Leiterin der Maya-Ausstellung herum, Frau Dr. Svenja Akerström, die kein „sch“ sprechen kann und sehr dominanten Lidschatten trägt. Irgendwann bittet sie eins der Kinder (wahrscheinlich das Dicke, das muss immer alle Themen mit Lebenmitteln abhandeln), Schildchen in der Maya-Lebensmittelvitrine zuzuordnen und erklärt dabei die abgebildeten Sachen.

Darin sind ein paar Stufen Schokoladenherstellung, was mit Mais, Kaugummi und eine Rübe. Frau Dr. Svenja Akerström sagt zu der Rübe:

Das ist ein Breiapfel. Er wächst am Sapodillbaum und ist sehr süß und sehr sättigend. Besonders die Mayakinder haben sehr gerne Breiäpfel gegessen.

Aha. Okay. Dann erklärt Frau Dr. Svenja Akerström noch, dass aus der Rinde des Sapodillbaumes klebriges Zeug gewonnen wurde (Chicle), die Urform des Kaugummi. Glücklicherweise hat das Internet noch Screenshots der ganzen Mayaessensaktion und der Breiapfelrübe übrig:

case_for_tkkg_3_-_11__full(Internet im diesem Fall die hier)

Breiäpfel und Dinge wie Quetzalcoatl und Hunahpú und Ixbalanqué sind seit dem in dem Matschepampe von Dingen, die man so nur braucht, wenn Quizapps gerade zwei Wochen cool sind.

Fünfzehn Jahre später (Ernsthaft. Ungefähr.) veranstaltet Pablo netterweise eine Abrissparty, weil ein schmieriger Immobilienhai seinen Wohnblock weggekauft hat und alle schmuddeligen Studenten auf die Straße setzt. Und weil ich am nächsten Tag nach München fliegen muss, habe ich mir gleich einen Flug um sieben gebucht muss durchmachen, auch als die Party schon längst gekippt ist. (Was natürlich nur passiert, wenn man durchmachen muss.) Netterweise erzählt mir dann Rolf relativ detailliert von seiner Indienreise, unter anderem anhand seines Instagram-Streams. Der zeigt unter anderem eine Frucht, die angeblich gut schmeckte, die man aber bei uns nicht kennt und Chiku hieß.


Wir ahnen, was kommt. Irgendwann später (und nüchterner) google ich nach dem Chikuteil, lande auf der Wikipediaseite von Manilkara zapota, der Sapodilla, auf Deutsch auch: Breiapfel. Sofort Frau Dr. Svenja Akerström im Ohr und sofort: Gut, Showdown, Breiapfel. Mit Zehnjährigen ohne Internetzugang kann sich jeder anlegen. Heute sieht das ein bisschen anders aus. I will find you and I will eat you, Bitchrübe.

Zuerst war ich sehr zuversichtlich, weil, sein wir mal ehrlich, es ist ja schon 2016. Ich habe vor zehn in Thailand das erste Mal Rambutan gesehen, jetzt liegen sie bei Edeka entspannt neben den Mangostanen, Menschen feiern Drachenfrüchte, obwohl ich noch nie eine aß, die nennenswert nach irgendwas geschmeckt hab, und madenfressende Fernsehmenschen haben einem breitem Publikum Durian näher gebracht. Und der Gegner ist eine Frucht, die aus Mittelamerika kommt, die man in auch in Südamerika und der südlichen USA finden kann, die man seit dem in Indien und Südostasien anbaut und die einen deutschen Namen wie Breiapfel hat. Nicht einmal Orangen haben einen Namen wie Breiapfel. Das kann ja nicht so schwer sein.

Einen Nachmittag letzten Frühling opferte ich der Sapodilla, durchkämmte gut sortierte Supermärkte und Asia-Läden. Ohne Erfolg. Ich schob es darauf, dass die Sapodilla-Import-Saison laut Internet eher so September – Anfang März ist, also war ich vielleicht einfach zu spät dran. Halbes Jahr Zwangspause. Anfang September war ich dann mehrmals in London, und wenn eine europäische Stadt seltsame Lebensmittel importiert, dann London. Im Internet fand ich diverse Posts zu Sapodillas, immer in dem Stil: „Hallo, ich habe zufällig einmal Sapodillas bei Waitrose/Tesco/Dings gefunden, das hat mein Leben verändert, jetzt sind sie für immer verschwunden. Wo bekommt man welche her?“

Ich war in jedem größeren Supermarkt in London. Und ich glaube gerne, dass man da immer mal wieder was besonders Exotisches findet, aber momentan eben leider keine Sapodillas. Ich fand eine Seite, die exotisches Obst verschickt und gemixte Säfte verkauft mit zwei Adressen, der Saftbar in der Portobello Road und der Zentrale in Bayswater. Ich war in Bayswater, wo ich einen Obstladen vermutete: Es war nur ein Büro, wohl für Logistikkram, in einem oberen Stockwerk eines Wohnhauses. Ich ging dann da nicht hinein. Aber das Internet sagt, Sapodillas schmecken heavenly, nach Marzipan, nach Birne mit Zimt, nach Root Beer, nach Karamell. #nevergiveup.

Jetzt neulich war ich dann in Thailand und Kambodscha, offiziellem Breiapfelterritorium, exzellente Aussichten. Das Problem ist nur, ich war die meiste Zeit auf kleinen Inseln, die alle Lebensmittel einschleppen müssen. Und der Einschleppekatalog ist nach Ananas, Wassermelonen, jungen Kokosnüssen und Mango relativ schnell zu Ende. Was der Tourist nicht kennt oder nicht schön auf Instagram aussieht, frisst er nicht. Die erste größere Stadt war dann Siem Reap in Kambodscha. Man muss wissen, der Wikipedia-Artikel über kambodschanische Küche hat diesen Absatz über Früchte, der sagt:

Fruits in Cambodia are so popular that they have their own royal court. The durian is considered the „king,“ the mangosteen the „queen,“ sapodilla the „prince“ and the milk fruit (phlai teuk doh ko) the „princess.“

Trotzdem, in der Stadt sind Obststände für Touristen, und Touristen wollen (leider) keine seltsamen Sachen. Und dann, in einem Supermarkt für echte Menschen, neben den Kiwis:

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Tadaa! Ich kaufte zwei Packungen. Mehr wären Quatsch gewesen, sie waren nämlich am nächsten Abend nach einem Tag im Koffer schon leicht angematscht. Viel halten sie nämlich nicht aus, ich hab mir nur gemerkt, dass Temperaturen zwischen 6°C und 10°C der sofortige Breiapfeltod sind. Pff, Divas.

Worauf wir alle gewartet haben: Nun ja. Ich finde, sehr, sehr reife Birnen am treffendsten. Schon sehr lecker, aber das habe ich ja schon erwartet. Ich glaube, ich könnte mir Breiäpfel auch gut in Smoothies vorstellen, statt Banane. Sonst war das Teil so anders und dominant, dass ich sie lieber alleine aß statt unter andere Frühstücksbuffetfrüchte zu mischen. Trotzdem: Super, und ich wäre treuer Sapodillakunde, wenn sie denn endlich zu und käme.

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Letztendlich kann ich jetzt endlich mich als Zehnjährige highfiven. Fall gelöst.

Andererseits: Hm, was ist eigentlich eine milk fruit?

Puh, aß ich schon mal. Glück gehabt.

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Country Roads

Wie war das nochmal mit der komplizierten Geschichte mit dem Flug und dem Schnee und dem Spontanroadtrip? Also:


Mittwochnachmittag, Aruba.

Der Queen Beatrix International Airport in Aruba hat sich ein besonderes Konzept überlegt und ist unterteilt in U.S.- und Non-U.S.-Departures. Obwohl auch in unseren Sommermonaten viele Südamerikaner in das konstant warme Klima fliegen, ist ganz viel auf amerikanische Touristen ausgelegt. Über dem Terminal schwebt die gleiche dunkle Wolke, wie über der amerikanischen kommerziellen Luftfahrt, die vor vielen Jahren mal falsch abgebogen ist. Weg von dem Prestigegetue der europäischen und asiatischen Fluggesellschaften, fliegen muss sich mindestens so dreckig anfühlen wie Reisebusfahren. Mit grünstichigen Röhrenmonitoren und bestenfalls teuren Fertigsandwiches. Meistens gilt, dass man für jedes Gepäckstück unmittelbar vor dem Check-In an einem instabilen benutzerunfreundlichen Automaten $25 bezahlen muss. Es gibt Ausnahmen (Anschlussflüge) aber die kennt der Automat in der Regel nicht. Also fliegt der gekonnte Inlandsflug-Amerikaner lediglich mit Handgepäck, das so schwer, groß und voller Kulturbeutelinhalt ist, dass ein europäischer Kontrolleur mindestens weinend zusammenbrechen würde. Aber es scheint zu funktionieren. Anschließend wird dann jener gesamte Hausstand in deine Gepäckablage geprügelt, bevor du überhaupt einsteigst.  Das Personal entgegnet dir dann mit Schulterzucken, falls da für deine Winterjacke kein Platz mehr ist, denn auf der falschen Abzweigung gibt es auch „That’s not my problem“-Philosophie, die besondern am Boden häufig ehrgeizig verfolgt wird. Es ist keine absolute Katastrophe, aber sehr weit weg vom „Lächeln und zumindest so tun, als würde man helfen“-Prinzip der restlichen Flugzeugwelt.

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Auf dem Flughafen in Aruba reist man bereits über einen Automaten in die USA ein, irre gruselig und Überwachungsstaat, aber andererseits spart man sich dann die Stunde in der überheizten Immigrationshalle, die mit den 3/35 aktiven Schaltern, in der man nicht auf sein Handy gucken darf. Trotz alle dem kann das Personal irgendwie doch nicht so gut Englisch, jedenfalls nicht verhandlungssicher was schade ist, denn eigentlich muss man bei Flugproblemen doch ständig verhandeln. (Auch eine Konsequenz der falschen Abzweigung) Wenn alles glatt geht, ist das aber kein Problem.

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Wir wollen eigentlich von Aruba nach Washington D.C. fliegen, und zwar über Charlotte, North Carolina. Das ist ein Knotenpunkt und zwar ein ganz okayer, denn am Flughafen gibt es Schaukelstühle. Donnerstag dann Washington und dann mit dem Leihauto nach New York. Eventuell Atlantic City. Freitag New York, Samstag Rückflug. Der Automat weigert sich allerdings. „There’s a problem with your flight“ sagt er, und an Servicepersonal wenden. Der Mann am Schalter sagt: „There’s a problem with your flight.“ Nach drei Minuten intensiver Recherche mit gerunzelter Stirn hat er herausgefunden, dass der Anschlussflug von Charlotte nach Washington gecancelled wurde. Naja, kommt vor. Der Flug ist einer der letzten am Tag, käme gegen Mitternacht in Washington an, war wohl nicht ausgelastet. Aber irgendwie findet der Schaltermann keine Alternative, keine andere Fluglinie, kein Ausweichen auf Baltimore. Das teilt er aber nicht mit, sondern murmelt nur mantrisch „no.“ Irgendwann sagt er, die einzige Möglichkeit der Welt wäre ein Weiterflug Donnerstagmorgen, um 6 Uhr. Er könne das buchen. Okay, er buche das. Er schicke dann die Bestätigung zu. Nee, jetzt könnte er nichts auf die Hand geben, aber das käme das per Mail. Puh. Ganz schön harte Bedingungen, aber er hat es souverän hingekriegt.

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Angeblich erwartet man an der Ostküste einen Schneesturm. Aber erst Donnerstagmittag. Direktflüge (die wohl schon voll waren) von Aruba nach Washington finden an diesem Mittwochnachmittag noch statt. Ebenso nach New York, Philadelphia und was es noch so alles gibt. Wir reservieren vorsichtshalber ein Hotel in Charlotte. Einige in Flughafennähe sind nämlich schon voll, falls es doch so sein sollte, dass wir erst morgen früh weiterkommen. Irgendwann kommt die Mail der Schaltermannbuchung, ein im mittelguten Flughafeninternet nur so halb lesbares Machtwerk mit unbekanntem IATA-Code. DAY. Er hat einen Flug über Dayton, Ohio gebucht und das mit keinem Wort erwähnt.

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In Charlotte ist es dann gegen neun und die Hölle los. Letztendlich hat die Airline alle letzten Flüge des Tages an die Ostküste gestrichen, wohl um zu vermeiden, dass die Maschinen dann am nächsten Tag, wenn es wirklich los geht, dort festsitzen. Zu dem Zeitpunkt hat es in Charlotte um die zwanzig, in Washington um die zehn Grad und Regen. Keine Spur von irgendeinem Wintereinbruch in den nächsten Stunden, aber „That’s not my problem“ nörgeln die Damen am Schalter zu den Massen von gestrandeten Passagieren und „There’s nothing we can do for you.“ und gelegentlich geben sie auf Nachdruck Hotelnachlassgutscheine raus, nur gültig für Hotels, die zu diesem Zeitpunkt schon belegt sind. Wir geraten an eine weniger genervte Dame, die einen Flug am Donnerstagmittag nach Baltimore anbietet, aber, honestly, davor und danach sei alles inzwischen gecancelled, und es sei sehr wahrscheinlich, dass dieser Flug auch nicht fliegt.  Dann eben nicht. Dann eben morgen früh über Dayton. Bevor wir ins Hotel fahren, fragen wir noch einen Mensch mit Hauptkompetenz Luggage, ob wir unsere vier Koffer am Flughafen lassen können. Baggage Storage? No sorry. Never heard of that. You can’t do that. Aber Sie sind ein Flughafen! Jeder hat das! Das wird ordentlich durchleuchtet und dann ist da auch kein Sicherheitsrisiko und das haben sogar Bahnhöfe! No sorry. Never heard of that. You can’t do that.

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Taxi zum Hotel. Hotel und Leihauto in Washington für den nächsten Morgen absagen, erneutes Lesen der nun vollständig geladenen Mail des Schaltermannes. Oh. Da steht „6 pm“, nicht „am“. Und das Datum ist auch irgendwie falsch. Der Schalterkasper hat statt für Donnerstagmorgen einen Flug für Freitagabend gebucht. <Pause für entsetztes Schweigen.> Das ist natürlich inakzeptabel, denn Samstag sollen wir ja in ein Flugzeug nach München steigen. Das von Newark fliegt, was immerhin noch 350km von Washington entfernt ist. Wir sagen dem Taxi, dass es umdrehen soll und zurück zum Flughafen fahren soll. Vielleicht doch lieber Mittags Baltimore riskieren? Ein Leihauto holen und noch bis etwa Mitternacht nach Norden fahren?

Die nette Frau ist inzwischen nicht mehr da. Die anderen meckern deutlich noch, die Halle voller Leute, sie stehen auf und sperren ihre Schalter. Ein paar Minuten vor zehn, vermutlich dem offiziellen Ende ihrer Schicht. Ich denke an Leute mit „Tut mir Leid, da war heute so ein Chaos, ich musste länger bleiben.“ Nicht in Charlotte. Die Schalter für Leihwagen, mit Ausnahme von einem, haben bereits geschlossen, und dieser eine sagt, alle Leihautos aller Firmen in der gesamten Umgebung seien bereits weg. Tut uns Leid. Suchen Sie sich ein Hotel.

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Wir stehen um sechs Uhr auf, Tagesziel: Irgendwie Richtung New York, das Frühstück ist okay, Charlotte ist dunkel und das Fernsehen fürchtet sich vor dem Schneesturm, der noch nicht da ist. In New York regnet es. In Nashville fürchtet man sich ganz besonders. Tausend Kilometer bis nach New York. Die meisten Fluggesellschaften haben all ihre Flüge gestrichen, einzig Delta versucht, zu fliegen. Bunte Wetterberichtsbilder. Wenn, dann besser die starkfrequentierte Interstate 95 meiden (an der Küste, über Washington etc), die könnte dicht sein, eher die Interstate 81 weiter im Landesinneren. Vielleicht gibt es einen Zug. In normalen Ländern gibt es Züge. „Yes, there’s one Amtrak,“ sagt die Frau an der Rezeption. Amtrak. Bei Amtrak denke ich automatisch an den brennenden Zug von Choo Choo Motherfucker. Für den ist das bisschen Schnee sicher kein Problem. „It leaves 7.20, that’s the only one today.“ Es ist sieben, keine Chance, in zwanzig Minuten irgendwo an einem Bahnhof in einen Zug zu steigen. Warum in den USA Züge auf Hauptstrecken seltener fahren als die Münchner S-Bahn inklusive Streik, Weichenstörung und Luftballon in der Oberleitung gleichzeitig, erschließt sich mir nicht ganz. Greyhound ist unglaublich teuer und nimmt auch die gefährliche Interstate 95, die Nachmittags da drin ist, was die aufgeregten Wetterleute „it“ nannten. Rezeptionsfrau sucht auf einer underground Website nach Leihautos. Findet auch eins, irgendwo in einem Gewerbegebiet außerhalb von Charlotte. Wir reservieren.

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In Charlotte regnet es inzwischen, das Taxi setzt uns an zwei Containern irgendwo neben einem verdächtig leeren Parkplatz am. „I don’t have a reservation“ sagt die Frau am Schalter im Container. Und außerdem, sagt sie, habe sie auch keine Autos. Deshalb der leere Parkplatz. „You see,“ sagt sie „our computers aren’t connected to the database.“  <Pause für Weinen> „the website is never up to date. You have to phone us.“ Ich habe das erste Mal im meinem Leben das Gefühl, dass ich an anderem Ort bin, von dem ich ums Verrecken nicht wegkomme. Es gibt immer so viele Möglichkeiten, das kommt einem gar nicht in den Sinn, dass was einmal nicht geht, und dann ist wie Stromausfall mit leeren Akkus. Also, fast. Die Frau telefoniert dann nämlich wild rum und findet dann jemanden, der ein Auto bringen kann. Sogar eines, in das alle Leute und Koffer passen. Yeah, niemand muss für immer in Charlotte bleiben. Aber es war so, so knapp.

Das Auto kommt und dann kommt das, was immer kommt: Den nächstbesten Convenience Store leerkaufen, Getränke, Fertigkaffee, Kekse, Gummibärchen, die blauen Doritos, abgepackte Sandwiches, yay Roadtrip.

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Kurz nach der Grenze zu Virginia (Salem/Roanoke) kehren wir in einen Taco Bell ein. (when USA, then fast food. Ohne Widerstand. Sorry, falls das eure Gefühle verletzt.) Eine Maschine der Delta ist in New York im Schnee von der Landebahn abgekommen. Und in dieser halben Mittagspausenstunde bricht auch in Virginia der Winter aus. Danach die schlimmsten Stunden Fahrt, die Straßen voller Slush, dann Eis und das hässliche leichte Schlittern beim Spurwechseln. Der Schnee ist irgendwie anders als ich ihn kenne, die Flocken zerspringen auf der Straße regelrecht. Und in den USA hat man eigentlich keine Winterreifen, weil es bestimmt sowieso nie da schneit, außer ständige Blizzards, aber dann fährt der Amerikaner wohl begeistert Fahrrad. Oder Amtrak. Die Trucks fahren besonders vergnügt besonders schnell, Kühlergrills komplett vereist, patriotische Sprüche für alles mögliche überall. Und sie lieben im Straßengraben. Haufenweise. Bei den ersten hat man ein sehr mulmiges Gefühl, zwanzig später relativiert sich das ein bisschen. Wer auch immer die Straßen aufräumt, lässt alles, was nichts blockiert, einfach liegen. Ich hab sie nicht gezählt, aber eine realistische Einschätzung wären um die zwanzig PKW und vierzig Trucks. Alle im Graben.

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Am Nachmittag kommen wir in Gebiete, in denen die Interstate aktiv gesalzen wird. Man sieht auch wieder etwas vom Asphalt. Wir machen dann keine Pause mehr, nur für Toilette und einen Becher Kaffee, aus Angst, das schlechte Wetter könnte uns weiter einholen. Virginia ist sehr groß. Ich habe eine Bekannte aus Virginia, die jammert auf Facebook im Sommer, dass es dort zu warm ist und im Winter, dass es zu kalt ist. Vielleicht übertreibt sie doch nicht so viel, wie ich dachte. In Virginia stehen vor allen Häusern nur Pickups.

Als es spannend wird, ist es schon zu dunkel für Fotos. Dinge fangen an, ständig Shenandoah und Blue Ridge zu heißen (ALMOST HEAVEN, WEST VIRGINIAAAH), und ich habe zum Glück eine offline Playlist mit ausgewählten Stücken von John Denver. (Don’t ask.) In West Virginia sind wir aber nicht lange, doch es ist sehr nett dort, ein großes „Welcome to West Virginia“-Besucherzentrum, im Gegensatz zu Maryland, was gleich danach kommt und man kaum bemerkt hätte. Das Schild ist auch nicht übermäßig groß. Wo man sich Patriotismus wünscht, enttäuscht er einen. Pennsylvania, Milestone Harrisburg, Interstate 78, „jetzt ist auch schon egal“, weiter. Irgendwann sagen die Schilder mit den Meilenangaben schon „New York City,“ aber das ist viel später, als ich erwartet habe. Wahrscheinlich American Style, großen Städten keine Straßenschilder oder Bundesstaatshauptstadtwürde zukommen zu lassen. Wir sind um Mitternacht in Newark.

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Der Freitag in New York ist sonnig, schmerzhaft kalt (-19°) und gut, denn New York ist immer gut. Irgendwann kommt dann eine Mail von US Airways, es täte ihnen Leid, uns mitteilen zu müssen, dass unser Flug von Dayton nach Washington leider gecancelled wurde. Alles richtig gemacht.

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Das Internet ist schlecht für eure Kinder

Als ich vorletztes Mal in Bayern war, war das Wetter besser als das letzte Mal und folglich war ich ein bisschen Bergwandern. Ich gehe sehr gerne zu Fuß, insofern ist Wandern nicht so weit hergeholt, Berge sind eher so eine Trendentwicklung der letzten Jahre.

Letztendlich hab ich nie viel gemeckert, wenn ich Bergwandern war, weil ich mal Felsen und Wälder und Ruhe und Runtergucken, aber den Impuls gab ich selten, weil drinnen ist es auch schön und das Internet ist schneller.
IMG_5667.JPGIch hab da jetzt länger drüber nachgedacht, warum mich jetzt Natur mehr interessiert als früher und kam zum einen darauf, dass einem als Kind sowieso viel egal ist, aber auch und vor allem, dass das Internet schuld ist.
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Tatsächlich ist Instagram für mich ein bisschen eine „Go outside!“-Angelegenheit und genauso eine „Eat better food!“-Angelegenheit. Das ist ein bisschen gruselig, weil es an der Gradwanderung ist zu Dingen, die man nur macht, um dann ein Ergebnis zum Angeben zu haben, aber eigentlich ist es ja gar nicht so. Eigentlich, wenn mans richtig macht, soll man ja Pinterest zum inspirieren nutzen, aber damit komm ich nicht klar. Ich bleibe lieber bei Instagram. Das ist bestimmt auch okay.
IMG_5669.JPGFotografieren hilft ja sowieso, Naturdinge ein bisschen mehr zu schätzen. Also ist das alles total legitim. Ich fand heraus, dass ich dazu tendiere, Dinge auf Fotos von anderen Leuten gut zu finden, die ich vorher normal halt fand (Felsen und Wälder und Ruhe) und wahrscheinlich ist das psychologisch gesehen total der Fortschritt für alle. Yay. Bewusstseinserweiterung!
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Vielleicht bin ich der einzige Mensch, dem es so geht, ich glaube aber nicht. Aber so ein bisschen „Ich will auch mal wieder was Schönes sehen“ („Gutes essen“/“Cooles machen“) – Denken ist sicher ganz sinnvoll.

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Wir gingen übrigens knapp 700 Höhenmeter, zuerst auf den Blomberg und dann rüber auf den Zwieselberg. Hauptkriterium war, dass der Zugang (Bad Tölz) auf der Autobahn vor dem Ende in Eschenlohe liegt, wo ja bekanntlich immer eine Stunde Stau ist. (Anmerkung für Hamburger: Die wirklich hohen Berge, wie die Zugspitze, sind knapp hinter dem Autobahnende.) Ich habe relativ wenig Kondition und jammerte das erste Viertel ganz schrecklich, dann ging es aber. Danach hatte ich tagelang Muskelkater in Muskeln, deren Existenz ich erst ergooglen musste. (Musculus tibialis anterior) Offensichtlich macht es doch einen Unterschied, wenn man in einer Stadt wohnt, in der einem außer Treppenstufen keinerlei Höhenunterschiede begegnen. Mal gucken, was diese Sommersaison noch so klappt. Dem Plan für letzte Woche ist schon mal wegen schlechter Witterung passiert. Pff.

 

 

Serviervorschlag.

Käferbohnensalat

Seit ich in Hamburg wohne, isst meine Demographiegruppe ganz anders als ich selbst. Ziemlich viele sind nämlich Mindestensvegetarier und kramen ständig neue Körnersachen von irgendwo aus der Welt raus, die dann in jedem gut sortierten Bio-Supermarkt 6,95€ kosten. Wahrscheinlich ist das total gerechtfertigt und die Inkas, die das handverlesen, werden fair bezahlt, aber ich bin ja immer noch Student. Ich steh total auf billiges Essen.

Eigentlich nicht, aber es hilft ja nichts. Irgendwann im letzten Jahr gab sich mein Körper geschlagen und hörte auf, auf Mensafertigkartoffelbrei mit Aufstoßen zu reagieren und seit dem tut er mir unendlich Leid. Ich persönlich lehne ja noch immer Fertigkartoffelbrei stark ab, im Sinne von If you go home with somebody and they have Fertigkartoffelbrei, don’t fuck them. Ich verstehe Fertigkartoffelbrei in Hauptsache-Essen-Großküchen, aber sonst ist das höchstverboten. Außer vielleicht man ist Astronaut. Dann muss man aber das Wasser direkt in die Packung kippen , durchschütteln, fertig.

Ich hänge also schon ein bisschen an genießbarem Essen, sofern es in meiner Macht steht. Und ein bisschen versuche ich, bayrisch/österreichische Dinge hierher einzuschleppen, weil hier jederzeit mehr Leute schon mal Tahina gegessen haben als Zwetschkenröster. (EEEY ZWETSCHKENRÖSTER.) Ich sehe das jetzt als Bildungsauftrag.

Heute: Steirischer Käferbohnensalat, nach einem Rezept meiner Mutter, denn ich kann Dressings nicht einfach nach Gefühl.

Die Käferbohne ist eine underground Hülsenfrucht, auf die schon die alten Urvölker Indochinas der Steiermark schwörten. Die Bohnen sind groß und gefleckt, und in der Steiermark sehen so wohl auch Käfer aus, ich kann das nicht beurteilen. Jedenfalls ist man dort sehr auf Arnold Schwarzenegger und Kürbiskernprodukte fixiert, also Kürbiskerne zum Knabbern kommen meistens von dort, und besonders, und das soweit ich weiß auch in Deutschland, Kürbiskernöl. Get yourself some Kürbiskernöl, guys. Kürbiskernöl is great, use it for example to pimp your Kartoffelsalat. Sollte man eigentlich gut zu kaufen finden.

Zurück zur Käferbohne. Das ist ein anderes Kapitel. Ich importiere (auch: lasse importieren) Käferbohnen in 400g (Abtropfdings 250g) Konserven, meistens von Hofer (entspricht Aldi), seltener von Billa. Ich habe jetzt ausgedehnte Recherche betrieben, und tatsächlich scheinen Konserven von Käferbohnen in Deutschland nicht so einfach erhältlich zu sein. Ich glaube, mal welche im Asia-Supermarkt gesehen zu haben, bin mir aber nicht sicher. Was es aber gibt, sind getrocknete Käferbohnen, zu kaufen als „bunte Riesenbohnen“ im (Überraschung!) gut sortierten Bio-Supermarkt. Für um die 5€. (Von Davert.) Das war zwar so nicht geplant, aber immerhin ist jetzt bestätigt, dass wir hier von total gesundem, hippen Zeug reden. Und ich hab keine Ahnung, wie man mit getrockneten Bohnen umgeht. Das macht ihr am bestens erst mal selbst, könnt euch auch ein bisschen von Mutti helfen lassen, wir haben das hier solange schon einmal vorbereitet.

Serviervorschlag.
Serviervorschlag

(für so 4 Personen. Oder als okaye Mitbringmenge)
Das eigentliche Zeug:
2 Dosen Käferbohnen (400g Dosen, wohl abgespült dann so 500g Bohnen)
1/2 rote Zwiebel

Dressing:
2 Würfelzucker
1/2 Tasse Wasser
100 ml Condimento bianco
2-3 Esslöffel Kürbiskernöl
1 Teelöffel Salz
1 Esslöffel getrocknete Kräuter (muss man nicht, sieht aber schöner aus)

Bohnen in ein Behältnis kippen, Dressing auch draufkippen, Zwiebel in feine Ringe hobeln und hübsch darüber werfen. Fertig. Ging ja jetzt schnell. Hätte man gar nicht so viel schreiben müssen.

 Anmerkung: Wer sich auf den Link klicken traute: Das sind Dinge, die mir Verwandte im Kleinkindalter beibrachten. Zum Glück hat YouTube ALLES.

Pures Gold

Als bayrisch-österreichisches Kind bin ich selbstverständlich mit der default Religion geboren und hab in den Jahren darauf das mitgemacht, was man halt so musste. Also, zweimal die Woche Jesusse ausmalen, obwohl Jesus wohl weiß trug, aber das wäre witzlos gewesen, bei mir trug Jesus immer mittelblau. Und sich beibringen, wie man Sachen erfindet die jemand, in diesem Fall der Religionslehrer wohl hören will, wichtigester Skill aller Erwachsenen.

Jedenfalls hatte ich irgendwann auch Erstkommunion, da musste dann der Heftumschlag statt weiß lila sein, denn Lila ist die Farbe der Vorbereitung, und man musste Beichten, und irgendeinem Kaplan erzählen, dass man manchmal seine Geschwister ärgert und mal der Nachbarstochter einen Zettel mit Aschloch vors Fenster hielt, und am Ende musste man weiße Schuhe kaufen, ein weißes Kleid tragen und durfte sich darin beim Braten essen nicht bekleckern. Es war eine harte Zeit.

Und es gab Geschenke! Besonders von älteren Verwandten, besonders Geld und wertvolle Sachen. Man musste die wertvollen Sachen schon ganz langsam auspacken, und dann lagen sie da und man musste sie ehrfürchtig angucken, bis jemand „Das ist wertvoll“ hauchte, es mitnahm und wegsperrte, für später. Manchmal, wenn man Glück hatte, bekam man auch erklärt, worum es sich bei der wertvollen Sache handelt. Ich bekam zum Beispiel einen Hummel-Teller. Das ist offensichtlich ein Teller mit Bemalung, der wertvoll ist und den man sich an die Wand hängen kann, wenn man mal groß ist, und ihn bestimmt nicht gleich kaputt macht. Ich habe diesen Status bis heute nicht erreicht. 

Schmuck bekommt man auch, vorallem Schmuck mit Kreuzen dran, weil Jesus. Von meinem Onkel bekam ich eine Halskette, die optisch nicht ganz ein Kreuz war, aber so ähnlich:  

Das war gar nicht mal so durchdacht, damals, mit acht Jahren, was ich lediglich in Amerika gewesen, mit zwei Jahren, ich wusste also im Prinzip gar nicht, wie ein Flugzeug von innen riecht. Das nächste Mal flog ich erst mit zehn.

Die Kette war auch nicht mein bester Freund, weil sich darin hinten leicht Haare verfangen und das ziepte dann. Und Ziepen war für mich nur kurz unter Kratzepullovern, also inakzeptabel. 

Letztens habe ich die Halskette nach Jahren mit hauptsächlich Modeschmuck wieder aus ihrem Versteck für wertvolle (achtung, nicht kursiv) Sachen geholt und an mich gerissen. Denn es ist ein Flugzeug. 

Das Ziep-Problem gibt es immer noch, aber ich bin sehr tapfer. Und bisher schaffe ich es auch, trotz jeden zweiten Tag Kletterhalle nicht zu faul für eine Halskette mit Verschluss zu werden. 

Dafür steh ich dann da und denk mir, hey, ich hab da ja ein Flugzeug. Aus PUREM GOLD*. (*Spekulation) Leider sieht es meistens keiner. Außer zum Beispiel im Bikini, denn das Flugzeug und ich waren im Salzwasser auf minus sechsundzwanzig Metern und es ist wie neu. Yay PURES GOLD* (*siehe oben).

Und eigentlich bin ich insgesamt froh, dass sich so ein Kommunionsgeschenk Jahre später als supertoll herausstellt. Und dann war es ausgerechnet die Flugzeugkette und nicht wie erwartet der Hummel-Teller. Wer hätte das gedacht?