Pokémon 1997 Space World Demo

Aktuell reicht meine Energie neben Arbeit und Lebensmittelversorgung gerade so für stundenlange Videospiele – das ist okay, wird hoffentlich bald wieder anders und gestern habe ich immerhin was gemacht, über das ich sogar ein paar Sätze schreiben kann. Hurra!

Jeder hat so Dinge, bei denen der Nerdpuls hochgeht, bei mir sind es unoffensichtlicher Content in den ersten beiden Pokémon-Spielgenerationen. Ich besaß als Kind nach langem Betteln einen GameBoy Color, meine einzige „Konsole“, bis ich alt und liquide Genug war, mir selbst weitere zu kaufen. Und Pokémonspiele waren mein Ding. Die Sache ist (und eventuell muss man dabei gewesen sein), neben dem Hauptspiel kam das Spiel mit so viele „Mysterien“, wie ich es davor und danach nie wieder erlebt habe. Die Spiele waren nämlich unperfekt und voller Bugs und Glitches, einige davon konnte man für Exploits nutzen, unendliche Items, unendliche starke Pokémon, legendäre Pokémon.

Verbreitet wurde das über Schulhofgeflüster. Ich weiß nicht, ob es an anderen Schulen anders war, bei uns hatte man keine GameBoys dabei, keine Beweise. Es gab eine seltsam klingende Story, was man machen müsste um Mysteriöse Sache XY hervorzurufen, immer ein bisschen Urban Legend mäßig: „Ich schwör, bei meinem Cousin hat das geklappt.“ Dann saß man zuhause und hat Blödsinn ausprobiert, stundenlang. Ich möchte nicht sagen, früher was alles besser, kann mir aber vorstellen, dass moderne Kinder eher Fakten-Checker wären. Google doch mal, ob das wirklich geht, zeig mir doch mal ein YouTube Video dazu. Ohne solche Möglichkeiten verbratete man Stunden, weil: warum sollte der Cousin lügen? Und alles sind immer Halbwahrheiten – Ja, man entdeckt wirklich einen merkwürdigen Gegenstand (nur kann der nichts), ja, die Karte sieht an der stelle wirklich anders aus (nur bedeutet das nichts). Für die Insider: Ich habe Tage verbracht, Bill zu beeindrucken, dass er mich endlich in seinen Garten mit den legendären Pokémon lässt.

Und dann gab es Dinge, die wahr waren. Für mich war mein erster Glitch sehr monomental, als hätte ich den Schrank zu Narnia aufgemacht, als wär da nochmal eine ganze Spielewelt, in der ganz andere Regeln gelten, und ganz andere Dinge möglich sind. Klingt überzogen, aber was ist, wenn das alles Absicht ist? Wenn die korrupten Spieldaten doch was zu bedeuten haben? Die würden einem doch nicht ohne Grund plötzlich einen Pixelhaufen auftauchen lassen, ein nulltes Pokémon namens Missingno. Und jeder weiß, dass die Hintergrundmusik von der Geisterstadt Lavender Town japanische Kinder in den Suizid hypnotisiert haben soll. (Tatsächlich ein global verbreitetes Gerücht, stimmt aber nicht. Was stimmt, ist, dass eine explosionsreiche Folge des Pokémonanime um das seltene Pokémon Porygon bei einigen Kindern in Japan zu epileptischen Anfällen führte und sie dann aus dem Programm genommen wurde.)

Einige Glitches wurden erst weit nach der eigentlichen Hochzeit der Spiele entdeckt und verbreiteten sich dank Internet und Leuten, die nicht nur Cousins waren, sondern Beweismaterial anfertigen konnten, sehr effizient. Das bedeutet: Bis zum heutigen Tag rechne ich damit, vielleicht noch etwas neuen zu lernen über die Spiele, die zum Teil 25 Jahre als sind.

Leider sind die neuen Spiele diesbezüglich relativ unspektakulär. Alles ist transparenter, einige Dinge, die früher so selten waren, dass sie einem auf dem Schulhof nicht geglaubt wurden, sind mittlerweile (auch durch Pokémon Go) Grundwissen. Müsste ich heute die Nachbarstochter bis zum beleidigt sein versuchen zu überzeugen, dass das eben gefangene Rettan auf dem farb-armen Gambeboy Display ein bisschen anders aussieht als normale Rettan? Wohl nicht. (Ich verlor das Rettan, mein einzig andersfarbene Pokémon der frühen Edition wenige Wochen später, als ich bei einem Klon-Unfall – man musste den GameBoy beim Pokémon tauschen im richtigen Moment ausschalten – versehentlich meinen Pokémon-Bestand ausrottete. RIP)

Neuerdings verbringe ich manchmal die Mittagspause mit dem Gucken von YouTube-Videos, die möglichst weit weg sind von Arbeit. (Für was Tolles ist in einer Essen-Kochen-Essen-essen Home Office Mittagspause keine Zeit) Manchmal sind das Pokémon-Videos. Hin und wieder auch die mit den Clickbait-Überschriften, weil ich mich dann in der Genugtuung sonne, dass mich die 15 things you didn’t know nicht überraschen. Zu meinem Entsetzen musste ich da letztens feststellen, dass ich gepennt habe und die wohl wichtigste Enthüllung der letzten Jahre verpasst habe: Der Leak der 1997 Space World Demo.

Die 1997 Space World Demo war eine Demoversion für die zweite Generation der Pokémonspiele, die auf der Nintendo Space World 1997 vorgestellt wurde. Ich habe nicht mitbekommen, dass das Internet nervös gewesen wäre, dass diese Demo signifikant gewesen sein könnte. Ich meine, dass sie ziemlich an der Community vorbei ging, eventuell aber auch nur an mir. Jedenfalls: 2018 hat jemand ROMs dieser Demo geleaked. Und dann wurde sie zum großen Thema.

Obwohl man in der Demo selbst nicht viel machen kann, ist im Spiel bereits ein kompletter Pokédex der geplanten Pokémon hinterlegt, komplett mit Sprites und allem. Und viel davon hat sich nach der Demo noch geändert, es schießt also ein ganzer Satz unveröffentlichter Beta-Pokémon aus dem Boden, 21 Jahre nach dieser Demo. Statt dem Wasserstarter, dem Krokodil-Pokémon Karnimani hätte es eine (viel süßere) Robbe geben sollen, namens Kurusu (etwa „Cruise“), die sich in einen coolen Robben-Drachen entwickelt und statt dem Feuer-Erdferkel Feurigel hätte es einen Feuer-Bären Honōguma gegeben. Es waren Babyversionen von viel mehr Pokémon geplant, und zwar auch für niedliche wie Ponyta, Mauzi, Fukano und Vulpix, nicht nur so Gestalten wie Magby. Ist das nicht großartig? Wie es immer neue spannende Sachen gibt?

Nun, die ROM gab es also, und weil ich ein Connaisseur bin, hatte ich keine Lust auf einen Emulator und musste gucken, ob ich die nicht irgendwie auf meinen GameBoy geprügelt bekomme. Es gibt Dinge, die man kaufen kann, und zwar GameBoy-Cartridges mit einem (micro) SD-Slot. Vielleicht gibt es auch andere Lösungen, aber das erschien mir eine runde Sache zu sein. (Ganz günstig ist es nicht, man muss sich schon ein bisschen einreden, dass es wirklich wichtig ist.) Mein Device nennt EZ-Flash junior und ich habe es von einem französischen Reseller auf amazon gekauft. Gestern kam das Ding an, und es hat fast sofort funktioniert, muss nur die Dateiendung der ROM anpassen.

Es ging dann weiter, dass ich mir eine Weile ins Fäustchen lachte. Man kann in der Demo halt wirklich nicht viel tun. Man startet, hat bereits eines der drei Startpokémon (zufällig) auf Level 8, das Pokémonlabor ist geschlossen, man kann ein bisschen herumlaufen. Die Start und Select-Buttons haben für mich nicht funktioniert, somit habe ich kein Menü zur Verfügung. Am Anfang hielt ich es für Absicht, könnte aber auch ein Bug sein, nachdem ich aber meine, dass der PokéCom (quasi ein Fatasie-Smartphone) auch demonstriert werden sollte, auf den man so ja gar nicht zugreifen kann.

Ich werde die nächsten Tage mal gucken, was die Demo noch so kann. Vielleicht ist das eine gute Möglichkeit, zu lernen, wie man Informationen aus dem Code zieht: Habe ich noch nie gemacht, weil es mühsam ist und schon alles im Internet ist, aber bei so einer Demo ist vielleicht die Relation von sichtbarem, uninteressantem Content, und geheimen Content belohnender.

Hier der Pokéwikieintrag mit allen Sprites. Viel Spaß auch mit Beta-Remoraid und Beta-Octillery (??!) – und bitte bemerken, dass die legendären Hunde wie Hunde aussehen.

Die ROMs verlinke ich nicht, ist aber googlebar.

(Das war alles sehr spannend, ich hoffe, es war nicht der letzte noch unbekannte Inhalt, der aus den Spielen auftaucht.)

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