Wie ich doch nicht das perfekte RomCom-Subgenre fand

Liebes Internet,

Ich habe ein sehr individuelles Problem, das quasi niemanden interessiert (das habe ich bereits auf Twitter bemerkt), und was soll man anderes tun, als noch mehr und unnötig ausführlich darauf rumzutrampeln? Nun in aller Länge und nochmal ausführlich: Wie ich dachte, ich habe mein neues liebstes Suhl-loch der Unterhaltungsliteratur gefunden und dann am Ende wütend war. (Ganz am Ende gibt es noch eine freiwillige Hausaufgabe, bei der Leute kluge Vorschläge einreichen können. Alle Fans von Vorschläge-Erteilen im Internet: Buckle up, this is your time to shine.)

Eines vorweg: Ich habe als Teenager RomComs im Nebenfach studiert und würde noch heute jemanden als zwielichtig abstempeln, der nichts von „When Harry met Sally“ hält (die objektiv gesehen beste RomCom) oder vor meinen Ohren „Notting Hill“ beleidigt (die RomCom, die für mein Teenager-Ich unabgefochten immer am wichtigsten war). Und dann irgendwann hatte ich mich wahrscheinlich übersättigt am Genre und sehr lange keine Lust mehr, dass fiktive Leute Happy Ends haben, dass fiktive Leute irgendein Quatschleben führen, bis sie einen Partner/eine Partnerin kennen lernen, und dann erst begreifen, dass sie die Wall Street gar nicht mögen und lieber Opossumkonservisten in Oklahoma sein mögen. Lieber Geschichten, bei denen sie gegenseitig an die Gurgel gehen, und/oder die Welt untergeht – möglichst viele Special Effects, erst dann lohnt sich eine Kinoleinwand.

So schleichend kam irgendwann die Lust auf Happy Ends zurück. Sicher ist das ein bisschen Eskapismus, aber es scheint keine allgemeine Gesellschaftsstimmung zu sein, weil die Auswahl ist mau. In Anbetracht der Tatsache, dass Streamingdienste Reihenweise Eigenproduktionen raushauen, ist der Ertrag an soliden, eskapismustauglichen RomComs eher traurig. Ich will für mein klassischen RomCom-Bedürfnis einen konzentrierten Endorphinshot, in 1:30h, keine Achterbahn über 5 Staffeln. Da saß ich dann und lieber alten Kram angeguckt – was auch nicht unbedingt schlecht ist, weil nun ja, Bridget Jones hits differently mit über 30, als sie es damals getan hat. („No. I like you very much. Just as you are.“ Fand ich als Teenager etwas unkreativ, aber, natürlich, jetzt verstehe ich das)

Und weil mich Filme nicht befriedigten, hab ich mich an Bücher gewandt. Das ist ein Terrain, auf dem ich noch nicht viel unterwegs war, weil ich seit jeher gar keine Lust auf Nicolas-Sparksy Literatur habe. Ich will überhaupt nichts zu tun haben, wenn da vorher, mittendrin oder am Ende gestoben wird, erzählt mir nicht, dass irgendein schicksalshaftes Tragödiendrama sehr romantisch ist. Nein. Das kann zu Greyfriars Bobby die eine Kiste von schlimmen Geschichten, die ich am liebsten die gehört haben möchte.

Was ich mich mir erwarte, ist generell gute Unterhaltung, ein glückliches Ende. Ich bin auch wirklich sehr tolerant mit Tropes. Wirklich. Ein gesundes „Enemies To Lovers“? Bei der heiligen Zweifaltigkeit Elizabeth Bennet/Fitzwilliam Darcy, aber sicher doch. Großartig, wenn beide Parteien erst einmal beweisen müssen, dass sie wirklich keine Arschlöscher sind. Bin ich dafür, ich weiß selbst aus autobiografischen Gründen, dass Etikettenschwindel keine Seltenheit ist. „Fake Dating“ – ich bin mir fast sicher, dass es mehr Geschichten über Fake Dating gibt, als reale Fake Dating Aktionen weltweit, aber es ist mir auch sehr egal. (Andere Frage, wie viele reale Menschen würden sich auf harmloses Fake Dating einlassen, nachdem es von Fiktion so geprägt ist als Highway To Eheschließung?)

Dann kam jemand um die Ecke, der alles über mich weiß und mir leider schon oft Dinge in die Hände gespielt hat, von denen ich nicht wusste, dass sie mich interessieren: Der tiktok-Algorithmus. An dieser Stelle muss ich die Türen dieses Saals für ein paar Minuten schließen, ihr könnt jetzt leider nicht weg, und müsst euch Dinge anhören, die euch mit den Augen rollen lassen. Ist auch gleich vorbei. Also. Der tiktok Algorithmus empfahl mir eine Harry Potter Fanfiction. „Draco Malfoy and the Mortifying Ordeal of Being in Love“ von isthisselfcare. (Ha! Ihr könnt nicht weg) Ich habe sie angelesen, um tiktok zu seweisen, dass ich ganz sicher keine romanlagen Fanfictions mag: Ich lese nicht gerne am Rechner/Tablet, ich will auch eigentlich die Charaktere gar nicht so weit aus ihrer eigenen Geschichte rausreißen, dafür sind sie mir zu unwichtig. Und als ich das dann beweise wollte, hämmerte ich mich aus versehen die 200.000 Wörter an einem Wochenende ins Hirn und it got me thinking.

Es ist eine Draco Malfoy/Hermione Granger Fanfiction, erzählt aus der Perspektive von ersterem. Hermione ist eine brilliante Ärtzin/Heilerin für Muggle und Zauberer (was ich mit besser vorstellen kann, als den Beruf, den Rowling selbst ihr gab), die gerade bahnbrechende Forschung betreibt, für die sie 1.) gefährlichen Kram machen muss und 2.) mit der sie eine Gruppe Bösewichte sehr verärgern würde. Sie braucht Personenschutz. Einen Auror! Nun bekommt sie aus deren Kreis aber nicht Harry Potter oder Ron Weasley, sondern Draco Malfoy, der im Gegensatz zu den anderen beiden studiert hat, und seinen Job gut und klug unterwegs ist. Der Punkt: Das Ineinander-Vergucken funktionier vor allem, weil beide enormen Respekt vor der beruflichen Leistung des anderen haben. In einer perfekten Welt könnten wir uns drauf einigen, dass das eben Sapiosexualität ist, aber leider bezeichnen sich nur außerordentlich unsympathische selbst überschätzende Menschen als sapiosexuell, insofern tun wir jetzt so, als ob es keinen Begriff dafür gäbe.

Und durch diese olle Fanfiction hatte ich zusätzlich zu der RomCom noch einen neuen Itch: Ich will bitte, dass die Protagonisten irgendwas Schlaues mit Herzblut tun. Ich mags sehr, wenn Figuren von ihrer Materie erzählen, egal ob ich alles verstehe, oder nicht. Ich kenne das aus Science Fiction (Andy Weir!) und fand es da toll, es gibt überhaupt keinen Grund, warum sich potenzielle Partner nicht auch ordentlich vollnerden sollten. Gerne.

Nun lebt aber die erste Hälfte von RomComs davon, dass Menschen ihre Tätigkeiten hassen, dass sie irgendwo verloren sind in herzlosen, großen Firmen mit sadistischen Führungskräften. Dass (ihr könntet jetzt wieder gehen, der Fanfiction-Exkurs ist vorbei) Frauen, die akademisch unterwegs sind, zwar ein gutes Herz haben, aber Respekt von der Masse des Volkes gibt es erst nach Umstyling (und Boyfriend). Sagen wir so: Ich habe Informatik studiert und arbeite in einem Konzern. Nach RomCom-Logik ein komplett minderwertiges Dasein. Das ist schon ein bisschen kränkend. Insofern war ich nun nach folgendem auf der Suche: RomComs mit Frauen, irgendwo unterwegs im STEM-Feld, die ihr Feld lieben, bisher aus eigener Kraft darin voran kamen und nicht drauf warten, eine insolvente Kerzengiesserei in Nordkanada zu retten.

Ich fand (über tiktok…..) Ali Hazelwoods „The Love Hypothesis“ und dachte, das ist das Bullseye meiner Begierde. Hazelwood selbst ist promovierte Neurowissenschaftlerin und sie gibt und hier eine promovierende Biologin, Olive, die Fake daten muss (Oh, die Arme!) mit einem allgemein gehassten jungen Professor, Adam. Mein erster Eindruck war ziemlich positiv, Olive war eine gute Identifikationsfigur. Es gibt eine Stelle, das wird zu Olive ein Satz bezüglich ihrer Selbsteinschätzung gesagt, den ich quasi wortwörtlich so ein paar Stunden zu vor selbst gehört habe, ich kicherte und war mir sicher, Fast-Dr. Olive und ich sind jetzt Blutsschwestern und sie kann sich darauf verlassen, dass ich ihr jedes romantische Manöver von ganzem Herzen gönne. Wobei, ich hab mich da schon gerade, wo denn der junge Professor, der wirklich viel arbeitet, die Zeit findet, seinen Body-Builder-Körper zu hegen und pflegen. No offense, aber das schaffen nicht mal meine Sims, wenn ich ihre Grundbedürfnisse wegcheate. Später habe ich gelernt, dass der Roman aus einer Rey/Kylo Ren-Fanfiction entstanden ist und Adam vorzustellen ist wie Adam Driver. Na gut.

Und weil das Erlebnis so okay war, las ich direkt die sogenannten „STEMinist Novellas“ von Frau Hazelwood: Drei Kurzromane, über drei Ingenieurinnen, die zusammen studiert haben und jetzt jeweils mit Typen aus ihrem neuen Leben nach dem Ph.D. involviert werden. Zuerst las ich die Geschichte der Raumfahrtingenieurin: Und es kam mir gekannt vor. Besonders der beteiligte Mann: Ausnahmsweise hatte er rote Haare, aber sonst: Groß wie Adam, breitschultrig wie Adam, durchtrainiert wie Adam, gleiches „Die Leser verstehen sofort, dass ich in meinem Leben keine andere Frau außer der Protagonistin haben möchten, jemals, aber sie rafft absolut nichts“ Verhalten wie Adam. Alles wie Adam. Ich war irritiert, kurz glaubte ich, die Novelle war vielleicht zuerst da, und dann kam der Roman als lange Version von Science-Hunk in Love? Dem ist nicht so, sagt Wikipedia. Nun, nachdem ich aber eh alle drei Geschichten auf einmal gekauft habe, muss ich die jetzt auch alle lesen, und sei es als Experiment.

Dann steht die Umweltingenieurin vor ihrem großen, gut gebauten Mitbewohner, dessen Hemd ganz schön spannt wegen seiner Muckis. Ab dem Zeitpunkt war ich frustriert, warum ich mir diese Zeitschleife immer wieder ansehen muss, ohne dass ein einziges Murmeltier mitspielt. Und Punxsutawnwey Phil für 500: Der als ‚Corporate Thor‘ bespitznamte Man, den die dritte STEMinistin, die Bauingenieurin im Aufzug trifft, hat diesen Körperbau.

Ich habe jetzt viermal sehr ähnliche Geschichten gelesen. Und ja, vier sehr ähnliche Sexszenen. Alle großen breitschultrigen Männer betraten mit beachtlichen körperlichen Voraussetzungen die Bühne, alle waren sie eher am Geben als am Nehmen interessiert – und wahrscheinlich weil alle Adonisse nie besonders an Frauen (oder Männern) interessiert waren, bis die Protagonistinnen in ihr Leben traten, hatten sie alle kein Kondome dabei. Wie absurd es ist für mich als Leserin, die selbe bekloppte Kondom-Szene viermal zu lesen. Schlimmer noch. Die vierte Geschichte hatte zunächst ein Kondom, und ich dachte, wir hätten den Fluch gebrochen, nur um dann ein paar Seiten weiter keins zu haben.

Und weil es so schön ist.
Die Biologin: „Oh it doesn’t matter. I’m on birth control. And clean.“
Die Raumfahrtingenieurin: „But I’m on the pill. We can do it without anything if you’re not giving me gross STDs“
Die Umweltingenieurin: „Are you clean? Because I’m on the pill, and..“
Die Bauingenieurin: „I’m – we’re good. Pill.“

Wo fang ich an? Wenn in deren Welt 2022 ist, würd ich sagen: Eeeeh, unwahrscheinlich, dass alle diese schlauen informierten und laut Handlung eher nicht sexuell aktiven (außer der Raumfahrtingenieurin) Frauen die Pille nehmen. Vielleicht ist es in den USA anders, aber in meinem Umfeld stehen eher die gesundheitlichen Risiken und Nebenwirkungen extrem in der Kritik. Und natürlich die Tatsache, dass dieser hormonelle Eingriff Frauen, Teenagerinnen, zugemutet wird, während man den männlichen Hormonaushalt in Frieden lässt – als wäre Verhütung reine Frauensache. Das ist der feministische Standpunkt. Ich frag mich schon, wie Geschichten, die betont feministisch sein möchten, explizit diese merkwürdigen „Egal, ich verlass mich drauf, dass du schon keine Geschlechtskrankheiten hast“-Szenen da rein bringt. Dann lieber ganz weglassen?

Ähnliches Problem mit den Chippendales-Körpern. Da sind wir Frauen dabei, zu propagieren, dass jeder Körper schön ist, weg von den unrealistischen gephotoshoppten Idealen an unsere Körper. Würde ich ein Buch von einem männlichen Autor lesen, der eine weibliche Protagonistin erzeugt, mit einem BMI von 10 aber gewaltigen Brüsten: Ich würde mit den Augen rollen, und schimpfen, dass er sich lieber mit einem gepflegten Hentai verzupfen soll statt irgendwas biologisch sehr, sehr, unrealistisches und ungesundes als menschliches Objekt der Begierde zu verkaufen. Und andersrum ist es aber… okay? Ich finde nicht. Was anderes ist es jetzt, wenn mir ein Chippendale-Feuermann meine fiktive Katze aus einem brennenden Haus rettet. Dessen körperliche Fitness ist maßgeblich für erfolgreiche Katzenrettung, alles gut. Wissenschaftler, die Nächtelang vom Snackautomaten leben? Hm. Ist das nicht eine etwas unfaire Forderung? Oder, falls Individuum die gesamte mickrige Freizeit mit Körper stählen verbringt, ist das denn dann nicht schwierig, wenn die Partnerin gar nicht mal so gerne über Eiweißshakes und schweißnasse Hantelbänke spricht? Und ja, yay große Männer, aber mussten da jetzt alle vier riesig sein? Wären sie sonst weniger toll? Wir sind hergekommen, um und über intelligente, liebenswerte Forscher zu freuen, nicht ausmaximierte Gestalten, neben deren Perfektion man sich doch eh immer kümmerlich fühlen muss. Und leider ist es ja auch nun mal so, dass absurd attraktive Menschen wissen, dass sie absurd attraktiv sind. Vorsichtig gesagt, die, die mir begegnet sind, nehmen weitaus mehr Entgegenkommen als selbstverständlich an, als sie charakterlich verdient hätten. Long Story short: Ich hab mich echt nicht gut dabei gefühlt, fiktiven Männer nachzulechzen, deren weibliches Korrespondent mich wütend gemacht hätte.

Nun ja, dafür hab ich jetzt ein gutes Gefühl, worauf die Autorin so steht.

Was habe ich daraus gelernt? Diese ganze STEMinist-Sache war mir nicht Feminist genug. Bin ich zu wählerisch? Vielleicht. Ich bin aber sehr offen für Buchvorschläge, die in die Richtung gehen (das ist der Teil mit der Hausaufgabe). (Es muss nicht STEM sein).

PS Hiermit entschuldige ich mich bei allen Magic Mikes der Forschungslandschaft, denen ich die Existenz abgesprochen habe. Sorry.

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