Uni-live II: Das KW-Klischee

Guten Morgen,

es ist halb neun. Einführung in Kommunikationswissenschaften. Das ist Teil meines Anwendungsfaches, Medienwirkung. Ich bin heute hier fast alleine – ein paar Leute ein paar Reihen weiter vorhe sind vielleicht auch Medieninformatiker, zumindest habe ich sie schon gesehen. Ihre Namen kenne ich nicht.
Wir machen hier gerade Psychologie GK Stoff, oder Deutsch LK Stoff, Deutsch Mittelstufe Stoff oder Stoff, den ich jetzt als Allgemeinwissen bezeichenen würde, aber man kann vermutlich nicht davon ausgehen. Hab ich alles schonmal gehört, denke ich.

Huuui, gerade fiel „in einem Blog posten“, toll, ich beschäftige mich ja nicht einmal mit irrelevanten Dingen.

Hier sind also sehr wenige da. Das ist kollektiv und irgendwie paradox – Der Dozent da vorne ist scheinbar ein ziemlich hohes Tier in der KW. Er hat ein Buch geschrieben, man sagt, darüber erzähle er hauptsächlich. Folglich könne man gleich sein Buch lesen und sich die Zeit sparen. Das Buch, obwohl es im Titel „Handbuch“ stehen hat, ist aber ganz schön dick, ganz schön schwer und auch ganz schön teuer. Paradox ist, dass es zu Zeiten von Schullektüren immer hieß: „Da hör ich mir lieber da Hörbuch an, als das Ding zu lesen“. Jetzt steht das Hörbuch da vorne und man bevorzugt das Buch. Warum? Menschlicher Trotz? Darüber könnten die hier anwesenden Klischee-KWlerinnen mit Nebenfach Psychologie mal bitte genauer nachdenken, danke.

(Er hat Twitter erwähnt! „Twiedda“ auf niederösterreichisch, übrigens)

Ich bin eine Randgruppe – ich werde hier gar nicht angesprochen. Die Seminare, auf die Bezug genommen wird, besuche ich zum Beispiel gar nicht – kann ich davon ausgehen, dass die Leute hier alle Hauptfach Kommunikationswissenschaft haben? Es sieht ja so aus: Ich sitze im Klischee – der Frauenanteil ist größer als fünfundneunzig Prozent, das ist ziemlich gruslig. Das ist ein All-Girls-Deutsch LK, nur viel, viel größer. Hatten sicher alle Deutsch LK hier. Viele bestimmt Deutsch-Englisch oder Deutsch-Geschichte. Und dann haben sie den NC von – Wie hoch ist der? 1,4? 1,3? – geschafft. Und jetzt wollen sie Journalistinnen werden. Zumindest nehme ich an, dass sie das wollen. Das ist schon witzig: Die Leute, von denen ich denke, dass sie Journalisten werden, die sind hier gar nicht. Ich rede mir ja auch ein, dass der seriöse Journalismus gar nicht so weiblich ist, wie man denken könnte, wenn man die KWlerinnen anschaut. Ist das der Grund für die vielen Frauenzeitschriften? Oh, das war jetzt gemein. Entschuldigung.

Weitere empirische Hörsaalstudie:
– Blond: 40%, dazu 10% mit blonden Strähnen, der Rest dunkel
– Anzahl Kurzhaarfrisuren: Zwei

Mein Dozent ist Österreicher. Ich finde das ja toll, viele lachen ihn ein bisschen aus. Vielleicht weil er hier ist, und nicht in Österreich, wo in KW dreißig Prozent Deutsche sitzen, „NC-Flüchtlinge“. Vermutlich hat KW beziehungsweise Publizistik die meisten NC-Flüchtlinge, bezieungsweise Flüchtlichginnen, überhaupt. Medizin, zum Beispiel, hat in Österreich Zulassungstest und einen festgesetzten Höchstanteil von Studenten ohne Matura (also österreichisches Abitur.) – aber keinen NC, soweit ich weiß. Das ist in KW/Publizistik nicht der Fall. Falls die hier Anwesenden das wissen – vermutlich nicht. Was wetten wir, dass mein 62-jähriger Dozent mehr über die österreichischen Studentenproteste und deren Verbreitung über Twitter weiß als die meisten hier. Die mögen Onlinemedien gar nicht, nämlich. Haben sie uns schon spüren lassen, uns als Randgruppe. Die Printsektorsekte. Aber wenn ihnen das Spaß macht…

Vielleicht sind hier auch irgendwo klischeefreie KWlerinnen. Die sollten sich mal melden. Danke. :)

No Responses

Add a Comment

Your email address will not be published. Required fields are marked *