So ein Abistreich..

Im Normalfall, so ist das gemäß der eigentlichen Definition eines Abistreiches, sieht ein Abistreich so aus. Oder auch so.

Bei uns ist das nicht so und nie so gewesen. Bei uns ist der Abisteich nach der allgemeinen Einstellung, die Tag an dem die Abiturienten ihre Dummeheit und Einfältigkeit zur Schau stellen, die Lehrer kollektiv einen Flunsch ziehen, in der Ecke hocken und hoffen, dass die hundert nervendsten Schüler überhaupt bitte endlich für immer vom Schulgelände verschwinden.
Wann es sich so entwickelt hat, ist eigentlich mehr oder weniger unklar. Fakt ist, dass man uns schon bei der begründeten Stellungnahme versuchte einzubläuen, dass der Abistreich der Schandfleck in der Gymnasial“tradition“ ist.  Spätestens in der neunten Klasse hat man intensiv damit begonnen zu versuchen, uns von dem besten Abistreich aller Zeiten zu überzeugen: Dem nicht stattfindenden Abistreich.

Mein Jahrgang hat dieses Jahr Abitur geschrieben, ich mit ihm. Ich war neun Jahre an meiner Schule. Ich liebe meine Schule, ich liebe meine Lehrer – ein paar werde ich für den Rest meines Lebens dankbar sein, dass sie mich hier und da so geprägt haben wie sie es getan haben. (Das ist jetzt nicht übertriben. Manches ist schon Jahre her und ich mache Sternchen in meine Kalender. Mehr muss man nicht wissen.) So weit – ich bin traurig, dass ich gehen muss (oder darf), dass man den Anschluss zu so vielen Menschen verliert und weiß,, dass das, was jetzt neun Jahre lang Alltag war bis zum Rest des Lebens reduziert sein wird auf ein „Und? Was machst du eigentlich jetzt so?“, irgendwann auf einem Klassentrffen oder einem Sommerfest, dass man für eine halbe Stunde aus Langeweile besucht.

Seit Wochen finde ich die Einstellung, die uns entgegengebracht wird furchtbar. Wir bekommen pro Tag unzählige Haut doch endlich ab, verdammts in Blicken und in offener Kritik. Spaß macht das, ehrlich gesagt, keinen. Manchmal frage ich mich, ob wir es überhaupt hätten richtig machen können. Am dem Tag, als wir die Abiturergebnisse bekommen hatten, mussten wir ab zehn unsere Bücher abgeben, die Zeugniszeremonie begann um zwei. Ein Vorgang, auf den wir eigentlich auch irgendwie hätten verzichten können. Unsere Abiturergebnisse stehen auf einem Ausdruck, der viel unspektakulärer aussieht als ein Zwischenzeugnis. Niemand von uns hätte daraus eine mehrstündige Zeremonie mit Händeschütteln und dergleichen gebastelt. Wenn es nach uns gegangen wäre, wäre daraus eine viertelstündige Aktion geworden, wie bei jedem Zeugnis auch. Das Abiturzeugnis kommt ja erst noch. (Wieder: Händeschütteln. Aber es ist das Zeugnis, deswegen ist das schon in Ordnung.)

Jetzt hat sich also ergeben, dass wir für mehrere Stunden unfreiwillig in der Schule verweilen mussten, die wir für Organisatorisches nutzten. Dazu kam das Drehen vom Finale des Introfilms für die Abifeier, etwas, was ziemlich inakzeptabel organisiert war und schon alleine dshalb auf großen Widerspruch stieß. Ist ja auch verständlich. Am Ende der Wartezeit waren wir schon ganz gut drauf, was besonders auf die Zwangswartezeit und natürlich auf das Video zu schieben war. Im Drehbuch stand, wir sollten Angst haben. Wir hatten keine, nur Aufregung – und vermutlich waren wir da schon wieder unten durch. Wir, der Partyjahrgang. Wir waren der Partyjahrgang bei unserer Gala, die unsere Lehrkräfte großflächig nicht besuchten – aus Prinzip. Derweil ist die Erfindung „AbiGala“ nicht auf unserem Mist gewachsen, an anderen Schulen ist das ein fester Programmpunkt im Jahr. Unsere war sogar vereinfacht: Schüler sollten zeigen, was sie ohnehin schon konnten.

Nächstes Kapitel ist der Abistreich. Das ist sehr kompliziert. Zum einen dürfen wir gar nichts. Die Polizei kam, als einmal ein Abiturjahrgang im Winter die Schuleingänge mit Schnee zugeschaufelt hatte. Die Polizei würde bei jeder Verletzung oder Verunglimpfung von Neubauzubehör vor der Tür stehen. Den Aspekt der „Ausnahme“ gibt es in dieser Form beim Abistreich schon lange nicht mehr. Wenn wir nach der, wie andere Schulen, alles in der Nacht organisieren würden und am Morgen wären die Teppichböden vollgestellt mit hunderten von vollen Wasserbechern… was würden sie mit uns machen? Oder eigentlich: Wie würden sie uns umbringen?
Abistreich heißt: Vom Lehrerzimmer Termin geben lassen, der vorzugsweise etwas wie „ab der 5. Stunde“ beeinhaltet, und dann bittebitte ein familienfreundliches Programm.
Der Abistreich, nach der Definition unserer Schule, ist eh was für die Kleinen. Über die Jahre hat sich eingebürgert, dass alles ab der Achten die Flucht antritt. Verhindern kann man das nicht. Man wird dazu angehalten, einen Kindergeburtstag zu organisieren, damit Zehnjährige ihren Spaß haben. Wir könnten kreativer und besser sein – aber für was. Die Lehrer, die nicht eh schon das Schulgelände vor Beginn der Aktion verlassen, aus reinem Desinteresse, bleiben nur, um sich zu ärgern. Und sich zu freuen, dass es vermutlich das letzte Mal ist, dass er/sie den verdammten Abiturienten begegnet.

Die Frage ist: Wie soll man jemals aus den Teufelskreisen heruaskommen? Die älteren Schüler gehen, weil es sie nicht interessiert, dass Programm wird auf die zugeschnitten, die bleiben werden – es ist für die älteren Schüler uninteressant. Lehrer finden den Abistreich blöd und gehen / sind schlecht gelaunt – keiner will sich die Mühe für eine Armee von Grantlern machen – der Abistreich wird blöd bleiben.
Und was macht man aus dem Widerspruch, mit dem erwähnten psychologischen Herausekeln aus der Schulzeit von Lehrerseite her und dem, dass man ihnen deshalb keinesfalls die Genugtuung geben möchte keinen Abistreich zu machen. Würden sie sich überhaupt dran erinnern? Letztes Jahr gab es praktisch keinen, und da wurde im Lehrerzimmer auch nicht der Sekt ausgepackt. Da gab es noch schlechtere Laune.

Whatever –  Rausziehen kann uns da eh keiner, selbst die Lokalpresse kommt schon seit Jahren nicht mehr an unsere Schule (an die anderen im Landkreis schon). Uns bleiben im Prinzip nur zwei Möglichkeiten: Das tun, was sie einzigen interessierten und bleibenden Zuschauer interessiert (-> Kindergeburtstag) oder das tun, was die Lehrer wollen (-> ein Abistreich).

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