Come stall with me

Gestern wurde der Absturzbericht von AirAsia veröffentlicht. Die Maschine war am 28.12.14 abgestürzt. Meistens brauchen solche Berichte weit über ein Jahr. Diesmal wusste man aber relativ schnell, worum es geht, wahrscheinlich hab ich selbst geklugscheißert, Strömingsabriss nach falscher Reaktion der Piloten auf den Autopiloten ehklarwasauchsonst.

Ich bin kein Flugzeugexperte, ich hab mich sogar noch nie mit jemandem unterhalten, der professionelle Ahnung von Irgendwas hat. Und ich fand in der Schule Physik blöd, weil die Chemie zwischen den Lehrern, die ich hatte, und mir, nie stimmte. Ich hätte Ranga Yogeshware und Ralph Casperse als Physiklehrer gebraucht, nicht welche, die zelebrierten, dass ihre folglich offensichtlich optimierungsbedürftigen Erklärungen nur von fünf Kindern in der Klasse verstanden wurden. Wem ein Publikum ohne Vorkenntnisse nicht gut genug ist, ist raus. 

Aber ich habe ja Interesse. (Und Wikipedia) Speziell daran, wie Flugzeuge fliegen und das lerne ich am besten daran, mir anzugucken, was Schuld ist, wenn sie ausversehen doch nicht einwandfrei fliegen.

Ich habe einmal auf Snapchat über Flugfelder, Coffin Corners und Stalling erzählt und das ist natürlich schon alles längst wieder unverfügbar, aber ich dachte, wenn ich nach einem Glas Rotwein Dinge auf Snapchat „erklären“ kann, warum nicht auch hier. Das ist mein Grundstück Internet, ich kann hier unprofessionelle Erklärungen hinstellen, so viele ich möchte, solange sie nicht in Ihren Garten kacken. (they won’t) Vielleicht ist auch etwas falsch, und wenn das hier Experten in die Finger geraten sollte, im Prinzip ist alles zu betrachten wie eine hässliche von Dreijährigen gebastelte Nudelkette aus dem Kindergarten. Hast du ganz schön gemacht. Nein bitte, ich will mich mit sowas nicht vor dem Internet fürchten wollen.

Auftrieb.

Damit ein Flugzeug fliegen kann, braucht man Auftrieb. Den bekommt man, weil Tragflächen so aussehen, wie sie aussehen: Mit einem leicht tropfenförmigen Querschnitt und hinten nach unten geneigt. Wenn die Luft von vorne kommt, muss der Weg über die Tragfläche länger sein, als der unten durch. Denn dann strömt die Luft oben drüber auch schneller, und ein Sog entsteht. Das ist der größte Teil Auftrieb. (Die Luft unten drunter trägt aber auch noch dazu bei.) Ein großes dickes schweres Flugzeug braucht mehr Auftrieb, als ein leichtes. Der Auftrieb selbst ist abhängig von drei Dingen:

  • Der Fluggeschwindigkeit (Ein Flugzeug muss eine Mindestgeschwindigkeit mitbringen, damit das ganze funktioniert. Erstmal: Je schneller, desto gut, mehr später.)
  • Der Luftdichte (weiter oben ist die Luft dünner, kann man mit höherer Geschwindigkeit ausgleichen.)
  • Dem Anstellwinkel (Der Winkel in dem sich Tragflächen und Luftstrom zueinander befinden.)

Der Auftrieb wird mit stärker „gedrehten“ Flügeln (Anstellwinkel/ Angle of Attack) größer. Also größer, je mehr das Flugzeug mit der Nase nach oben zeigt.
Wird der Winkel aber zu groß, passiert auf der Oberseite der Tragfläche Murks, Luft turbulenzt herum, und die Strömung reißt komplett ab (Stall). Das ist nicht so gut.

Die Gravitation klopft dann sehr energisch beim Flugzeug an. Im Cockpit gibt es dann eine sehr intensive Warnung. Bei vielen Maschinen (insbesondere bei Boeing) wird der Stick Shaker aktiviert, das Steuerhorn, wo der Pilot idealerweise seine Hände hat, vibriert. Also, den Damen und Herren im Cockpit fällt ziemlich sicher auf, dass etwas falsch läuft. Es stirbt auch keiner sofort, die Situation ist nur schon etwas brenzlig und die Piloten müssen das Richtige tun. Das Falsche macht alles nur noch schlimmer und dann sterben wirklich Flugzeuge und Menschen.

Selten ist zu geringe Geschwindigkeit Schuld. Dann müsste man ordentlich Gas geben und gerne auch die Nase etwas hochziehen. Meistens ist aber eher der Anstellwinkel das Problem. Die meistens richtige Reaktion wäre also dann, die Nase des Flugzeugs nach unten zu bringen, um den Anstellwinkel wieder zu verringern. Das klingt sehr einfach, trotzdem passieren da manchmal Fehler. Air France hat 2009 damit beispielsweise 228 Menschenleben verbraten. (Die Vorgeschichte war eine kurz unzuverlässige Geschwindigkeitsanzeige, aber darum gehts ja gerade nicht.) Also, falls ihr mal in der Situation seid: Nase runter. Vermutlich.

Flugfelder.

 Alles ist natürlich noch ein bisschen komplexer.  Und wenn ich schon dabei bin, erzähle ich gleich noch eine Menge anderer Dinge. Weil ich es kann.

Also. Der Luftraum ist nicht irgendwie durcheinander, sondern fein sortiert in Ebenen. Und da sonst im echten Leben Fuß eine doofe Einheit ist, nimmt man sie halt beim Fliegen. Und, plot twist, man fängt mit 0 feet auch nicht bei NN oder dem Grund an, sondern dort, wo der theoretische Normaldruck von 1013,25 hPa herrscht. Das hat den Vorteil, dass man innerhalb einer Ebene dann immer den gleichen Luftdruck hat, egal, was das Wetter und seine Freunde unter einem so machen. (Anschauliche Wikipediagrafik) Man fängt dann in 100-feet-Schritten an zu zählen. 35.000 feet sind zum Beispiel FL 350. (flight level three-five-zero). Herzlichen Glückwunsch, jetzt sind wir schon fast Profifluglotsen.

Climb Climb Climb.

Vor einiger Zeit lernte ich, dass Flugzeuge im Reiseflug nicht auf einer konstanten Höhe bleiben, sondern eigentlich stetig immer ein bisschen weiter steigen möchten, bis sie dann zum Sinkflug ansetzen. (cruise climb) Das geht natürlich nicht, weil das ein großes Durcheinander gäbe. (Fun Fact: Die Concorde durfte das, weil sie sowieso höher flog und cooler war, als alle anderen Flugzeuge) Stattdessen steigen sie in Flight-Level-Stufen. (step climb) Da müssen sie zwar immer am Boden um Erlaubnis fragen, aber sonst klappt das ganz gut und am Ende haben sie eine hübsche Treppe, zum Beispiel mit 2000-ft-Stufen, statt einer konstanten Cruisinghöhe.

Das macht man wegen dem Treibstoff. Weiter oben gibt es weniger Luftwiderstand und dann braucht man auch weniger Kerosin, um dagegen anzutriebwerken. Das ist aber erst sinnvoll, wenn das Flugzeug leichter geworden ist, also schon ein bisschen von dem mitgebrachten Treibstoff in das Chemtrailprojekt der Bundesregierung investiert verbraucht hat.

Die Sargecke.

Jetzt wird es spannend. Wir wissen:

  • Das Flugzeug möchte weiter oben fliegen, weil es da weniger Nahrung braucht (wegen des geringeren Luftwiederstands)
  • Weiter oben muss das Flugzeug auch schneller fliegen, weil sonst in der dünneren Luft die Strömung abreißen würde
  • Ein dickes schweres Flugzeug braucht mehr Auftrieb; Seine Mindestgeschwindigkeit ist somit auch höher. (Das ist einigermaßen logisch, oder?)

Folglich: Je höher, desto schneller? Nö. Ein Passagierflugzeug sollte auch nicht unbedingt die Schallgeschwindigkeit überschreiten, außer es ist ein Überschallflugzeug und das ist es wahrscheinlich nicht, außer es ist vor 2003, das Flugzeug hat eine spitze Nase uns es steht Concorde drauf. Eine Überschreitung der Schallgeschwindigkeit heißt overspeed und ist der kleine Bruder vom Stalling. Hier passieren auch Dinge, die ich nicht hundertprozentig verstehe, aber es hängt wohl mit der nicht dafür ausgelegten Flügelform, Schockwellen, Verlagerung des Auftriebsschwerpunkts und Einhörnern zusammen und nennt sich Mach Tuck.  Ich gebe mich erstmal damit zufrieden, dass auch hier die Luftströmung unvorteilhafte Dinge tun kann. (Hier dann bitte nicht die Nase nach unten.)

So. Die Schallgeschwindigkeit ist aber niedriger, je niedriger die Lufttemperatur ist. Weiter oben, wo es kälter ist, ist also die mögliche Höchstgeschwindigkeit für das Flugzeug geringer. Und die Mindestgeschwindigkeit höher. Der Toleranzbereich für schöne Geschwindigkeiten wird also nach oben immer kleiner. Und ganz oben, wenn es eigentlich gar keine gute Geschwindigkeit gibt, sitzt die coffin corner. Das ist ein sehr schöner Begriff. Bitte merken.

Und jetzt folgt eine Wikipediagrafik von einem Stefan, der scheinbar auf sämtliche Copyrights verzichtet, deshalb nenne ich ihn jetzt extra oft.

CoffinCornerStallSpeed2So, besser, als wenn ich sich kreuzende Geraden (Mindest- und Höchstgeschwindigkeit) beschreibe und jemand auf Links klicken muss. Danke, Stefan. Soweit, so gut. Was man in Stefans Kunstwerk auch noch sieht, ist, dass die Situation für große dicke Flugzeuge nochmal anders aussieht: Wegen der höheren Mindestgeschwindigkeit wandert die Coffin Corner weiter nach unten und das schwere Flugzeug kann insgesamt nicht so hoch fliegen. Das passt auch sehr gut mit dem vorherigen Punkt mit dem cruise climb zusammen: Alle leichte Flugzeuge können gut höher.

Und nun?

Stalling (und Overspeed) sind gefährlich und bitte nicht zuhause nachmachen. Wir wissen jetzt, dass da eine Menge Faktoren eine Rolle spielen, wie Geschwindigkeit, Höhe und so weiter.

Ich glaube, das ist der klassischste Pilotenfehler. Inzwischen regelt nämlich sehr viel der Autopilot (Stichwort fly-by-wire). Bei Airbus ein bisschen mehr als bei Boeing, weil die Ansätze ein bisschen unterschiedlich sind. Boeing möchte den Piloten eher durch viel Information unterstützen, lässt ihm aber mehr Kontrolle. Airbus möchte den Piloten entlasten und mehr der Steuerung sind dem Computer überlassen.

Viele der Airbus-Zwischenfälle haben mit Konflikten zwischen Piloten und Boardelektronik zu tun und hin und wieder ist dann fly-by-wire in der Kritik, aber nachdem menschliches Versagen immer noch am öftesten zu Abstürzen führt, ist es natürlich auch sehr sinnvoll, viel zu automatisieren. In dem AirAsia-Fall gab es wohl Warnungen zu einem Teil eines Ruders, ein bekanntes Problem bei dieser speziellen Maschine, worauf einer der Piloten wohl an Sicherungen rumbastelte (vgl. Task-Manager), worauf sich der Autopilot auch abschaltete. Und dann verloren sie die Kontrolle. Vermutlich war es auch sehr stressig in diesen Sekunden, aber in meinen Augen hatte eigentlich der Computer recht. Go Computer!

Und wenn man das nächste Mal auch in den Fernseher klugscheißern möchte, wenn es wahrscheinlich um Stalling geht, sagen die Nachrichten:

  • Das Flugzeug fiel wie ein Stein vom Himmel. Oder, auch schön: plummeted from the sky
  • Das Flugzeug geht erst beim Aufschlag kaputt (sowas finden die Investigators meistens sehr schnell raus)
  • Normalerweise keine Probleme während des Flugs.
  • Auch häufig: Kein, oder nur ein wenig brauchbarer, Notruf. Die Situation ist dann so brisant, dass die Piloten viel zu beschäftigt sind, die Maschine zu stabilisieren, da hat ein Notruf geringe Priorität
  • Oft: Gewitterfronten etc. Extreme Wettersituation können zum Beispiel die Geschwindigkeitssensoren verwirren, was die Piloten (seltener die Autopiloten) verwirrt und verwirrte Piloten machen Quatsch.
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