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Chroniken des Nahverkehrs

Dies ist eine Geschichte, die länger als 140 Zeichen ist. Normalerweise ist der Nahverkehr in 140 Zeichen recht gut beschrieben – passt ja alles rein, wenn es wiedermal irgendwo hängt. Aber heute haben drei rot-weiße Waggons meine Psyche nachhaltig geschädigt und das ist vielleicht ganz erwähnenswert – besonders für Menschen, deren Alltag von der Benutzung braver Verkehrsmittel geprägt ist.

Ich begann meine Reise am Marienplatz, da war ich noch sehr fähig, das zu akzeptieren, was mein Verkehrmittel vor hatte, mir vorzusetzen. Auf der Liste der Vergehen gegen den menschenfreundlichen Transport waram heutigen Tag nur eine kleine Tramvollbremsung am Mittag, aber das ist verzeihlich, Ampeln springen eben hin und wieder unerwartet aus dem Gebüsch neben die Schienen.

Sieben Minuten, Wartezeit: auch akzeptabel. Montags variiert meine S-Bahn-Beanspruchungszeit sehr, also muss man nehmen, was so kommt. S-Bahn kommt, gut voll, konnte trotzdem sitzen. Ich sitze sowieso lieber am Fenster, da brauche ich auch mir gegenüber kein schlechtes Gewissen haben, wenn ich schamlos ausnutze, dass der Großteil der Menschheit für Gangplätze über Leichen geht. (Ein Gangplatz ist aber nur richtig cool, wenn man den Fensterplatz leer lässt. Das ist für die Rock’N’Roll, für mich ist das Doofheit in der Ausführung.)
Irgendwann stand S-Bahn ein bisschen in der Münchner Wildnis, auch noch okay. Ich habe die S-Bahn nicht gefragt, vielleicht musste sie grasen, vielleicht will sie ihren Passagieren einen Denkanstoß geben, vielleicht war es wieder die diabolische unvoraussehbare Ampel.

Pasing. Pasing ist dieser eine Bahnhof, an dem gerade gebaut wird. Das ist der Bahnhof, der sich schon länger in der Schönheitsoperationsnarkose befindet. Man sieht noch die hübschen grünen OP-Tücher, hier und da, geliftet ist er wohl auch schon (pun intended) aber sonst…
S-Bahn steht in Pasing.

Und steht.

Und steht.

Durchsage, nicht vom Band. Die haben viel vom Band, sogar das mit „aufgrund einer polizeilichen Ermittlung“. Das ist eine subtile Form der Selbst-Beleidigung, zumindest kann man das annehmen. Es gäbe ja keinen Grund, Durchsagen zu bauen, die nie verwendet werden würden.
Diese kam nicht vom Band: es gäbe eine Bahnübergangsstörung in Puchheim. Leider beherrsche ich die Bahnsprache nur in Auszügen, so weiß ich nicht, ob das der Code für eine zickende Schranke oder ein mittelgroßes suizidales Blutbad auf dem Übergang ist. Vermutlich ersteres.
Und dann stand die S-Bahn. Die Administratoren des Bahnhofs München Pasing haben jedoch weder Kosten noch Mühen gescheut und ließen am Nebengleis diverse ICEs ankommen und abfahren um uns optische Phänomen näherzubringen. (Bezugssysteme und so. Physik, bäh.) Wenn ein ICE so anrollte, dass man in der S-Bahn meinte, sie bewegte sich endlich, saßen die Verantwortlichen vermutlichen high-fivend vor ihren Bildschrimen. Richtig bewegt hat sich das S erst nach guten dreißig Minuten.

Weiterer optionaler Stop zwischen Leienfelsstraße und Aubing. Man kennt ja sonst nur die Panaromazwischenstationen bei Schneefall – in der Dunkel- und Schneefreiheit ist hier allerding der Sinn dahin. (Sollte man vielleicht einmal dem Verantwortlichen dieser in den Grundzügen zweifelsohne genialen Marketingidee sagen…)
Fünf Minuten.

Und dann probierte der Kutscher einmal aus, was passiert, wenn man die S-Bahn ein bisschen peitscht. Er hat vermutlich ausgeholt und geschrieen: „I put the ‚Schnell‘ back into ‚S-Bahn‘!“ und dann trat er dieses unbenutzt aussehende Pedal, oder was auch immer zu einer S-Bahngrundausstattung gehört, ganz durch. Und trieb das Vieh Richtung Puchheim. Und dann trat er das abgenutztere Pedal durch, aber er schaffte es doch nicht ganz.
Für die, die daran zweifelten: Eine S-Bahn kann rückwärts fahren. Und so vollzog sie ihre Kür mit Bravour. Die Einwohner Puchheims, die bereits beim ersten passieren ihres Bahnhofs aufgestanden waren, zeigen bedauerlicherweise keinen Respekt für das Fahrrichtungenrepertoire ihres Personenzuges. War gut, als die Banausen endlich ausstiegen. Eingestiegen ist der Duft von den Bremsen holländischer Wohnmobile am Zirler Berg.

Die S-Bahn weinte leise.

Abschließend folgt eine Illustration, welche ich im Zuge einer Maltherapie zur Vewältigung des Erlebten anfertigte. Das Original zeigt einen Nahverkehrszug mit seinem enigmatischen Grinsen und einen bösen S-Bahn-Chauffeur. (S-Bahn-Chauffeure sind nicht böse. Dies ist künstlerische Freiheit.) Er trägt eine Krone mit einem S unf grault seine dicke Perserkatze, in diesem Fall eine kleine S-Bahn. Dies sind nämlich die Insignien des Anführeres der Dunklen Seite des Nahverkehrs.  Gerne hätte ich ihm eine Darth-Vader-Maske gemalt, aber das stand nicht in meiner kreativen Macht, also musste als Ersatz die Krone hinhalten. (EDIT: Etwaiige Zufälle, wie ich erst heute morgen feststelle sind tatsächlich zufällig und unbeabsichtigt. Die Krone ist wirklich keine Anspielung, so wissend war ich zu dem Zeitpunkt gar nicht, und deshalt auch nicht als solche zu betrachten.) Der sitzt hauptberuflich in seinem HQ im Keller der ICE-Waschanlage und war neben diesem kulturellen Event auch für folgende andere Ereignisse verantwortlich – deshalb die Quartettoptik:  (a) Polizeiliche Ermittlung am Ostbahnhof (Mittwoch stadteinwärts an der Hackerbrücke pausiert) (b) Notarzteinsatz an der Hackerbrücke (Donnerstag, stadtauswärs am Stachus gewartet) (c) Weichenstörung an der Donnersberger Brücker (Donnerstag, stadtauswärts, immer noch Stachus)

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Achja, die hässliche Optik ist Absicht. Wollte es zuerst ganz analog anfertigen, traute aber dme Lesbarkeitsgrad meiner handschrift bei dieser Größe nicht über den Weg.

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Der Mann auf dem Bild, das ist Charlie Todd. Charlie Todd ist der Erfinder von Improv Everywhere, oder auch der, der bei Improv Everywhere das Megafon in der Hand hält. Spätestens seit dem Grand Central Station Freeze dürfte die Gruppe allgemein bekannt sein. Coole Leute wie ich kennen das natürlich schon viel länger. ;-) Charlie Todd hat dafür gesorgt, dass heute fast jeder weiß, was ein Flashmob ist und hat wsicher tausende Menschen auf der ganzen Welt zu Freeze-Aktionen gebracht. Und jetzt kam der Großmeister nach München.

Die Urbanauten hattenihn soweit ich das verstanden habe, eingeladen. Gestern fanden ein Vortrag und eine Diskussionsrunde im Pathos statt, heute folgte ein Flashmob oder auch, wie Charlie sagen würde, eine Kette von „urban pranks“ in der Münchner Innenstadt.
Beides fiel ziemlich direkt hinter meinen Unistundenplan und da konnte ich auch nicht anders, als zu beiden Veranstaltzungen zu gehen.

Als ich das Pathos im strömenden Regen ohne Schrim erst einmal gefunden hatte (Anreise über Münchner Freiheit: Fehler), kam es schon, das coole Publikum. Groß war es nicht, aber überraschend international, verständigt über Twitter und Facebook, trug coole Streberbrillen und duzte sich. (Mehr davon ist wo? :) )
Charlie hatte bedauerlicherweise keine solche Brille, aber neuerdings einen Bart. Er wäre jetzt dreißig, sagte er, und seit acht Jahren Mr. Improv Everywhere. Angefangen hat er nach dem College und dem Umzug nach New York, dabei wollte er Schauspielern, bedauerlicherweise fand er keinen Job. Eines Tages dann fand jemand, er würde wie Ben Folds aussehen – obwohl das seiner Meinung nach absolut nicht stimmte.  Trotzdem machte er sich mit Freunden einen Spaß daraus und ließ sich öffentlich von einem von ihnen „hey, you’re Ben Folds!“ zurufen, unterschrieb Autogramme. Die Menschen außenrum folgten, wollten auch Autogramme. Das war seine erste Aktion dieser Art. Der erste No-Pants-Subway-Ride folgte kurze Zeit später. Immer wieder zeigte er Videos von Aktionen (Food Court Musical, Look Up More, High Five Escalator, Grand Central Station Freeze, Best Buy, mp3 Experiment im Battery Park, Surprise Wedding Reception..), die ich bedauerlicherweise (bis auf eine!) schon alle kannte – aber es ist schon immer wieder toll. Eigentlich, sagte Charlie, habe er gar keine Botschaft, wie man so oft glaubt. Er fände es schön, wenn sich die New Yorker Bevölkerung sich ganz und gar nicht so zynisch zeigt, wie man es ihr nachsagt und er sei jedes Mal überrascht über die Reaktion der Aktionen: So habe er schon Facebook-Gruppen für Mitgefahrene einzelner Waggons des No-Pants-Rides gesehen – oder auch Gruppen für bestimmte T-Shirt-Farben  des mp3-Experiments. Scheinbar habe das alles eine größere soziale Bedeutung, als vorher angenommen.

Heute gab es den Flashmob.. da warten wir aber noch ab, was die offiziellen Stellen dazu sagen. :-)

Verlaufen

Jetzt hatte ich schon ein bisschen Uni und so langsam war ich auch überall einmal, wo ich zumindest in diesem Semester hin muss.
Und das ist gar nicht so einfach. Das die LMU in halb München liegt, dürfte ja bekannt sein. Man ist permanent unterwegs. Ich werde das jetzt einmal anhand meines Stundenplans ein bisschen beschreiben, für Menschen ganz ohne LMU Bezug. Unterteilt in zwei Abschnitte. (unschwer zu erkennen)

Äußere Anatomie (fett jeweils die übliche Bezeichnung. Oder soweit ich sie so zuordnen kann, bin ja noch Anfänger.)
Wir starten am Montag mit einem freiwilligen Java-Kurs. (Für alle, die das „ohne Vorkenntnisse“, das überall stand, wörtlich nahmen. Dementsprechen hat der Kurs auch mehr als hundert Teilnehmer) in die Oettingenstr 67. Das ist hinter dem Englischen Garten, in der Nähe vom chinesischen Turm. Man kann hinlaufen, wenn man will (U-Bahn Giselastr.), der Normalverbraucher nimmt allerdings den Bus durch den Park. In der Oettingenstr. hockt das Institut für Informatik. Bis vor kurzem war dort auch das Institut für Kommunikationswissenschaften, das ist jetzt allerdings in der Schellingstr. 3. Die Bibliothek vom IfKW ist allerdings noch dort, genauso die PCs, soweit ich weiß. Es gibt dort diverse PC-Räume, sie heißen Antarktis, Sibirien und Gobi. Man munkelt, das hinge mit den klimatischen Bedingungen zusammen – bisher war ich nur in Gobi, da stimmt es zumindest.
Weiter geht’s, Analysis im Mathebau, Theresienstr. 39. Das ist bei den Pinakotheken und gleich beim Brandhorst. Am besten erreicht man es mit der Tram 27, Pinakotheken.U-Bahn hätte man auch mehrere Möglichkeiten, alle sind ein wenig zum Latschen, und das tut man so auch schon genug.
Danach zum Proseminar ins Hauptgebäude, Geschwister-Scholl-Platz 1. Danach hatte ich diese Woche die Digitale Medien Übung, CIP-Pool Amalienstr. 17 , „das, was aussieht wie ein Aquarium“, hat man uns gesagt. Tatsächlich hat der Raum ein großes Schaufenster, in das permanent Passanten gaffen können. Jetzt, wo es früh dunkel wird, macht ihnene das besonders viel Spaß.
Ich glaube das war’s – alles vom Montag. Dann wiederholen sich die Schauplätze immer mal wieder. Was noch zum Grundwissen gehört ist der Schweinchenbau, Leopoldstr. 13 (U-Bahn Giselastr.). Der ist rosa und eingenommen von Psychologie und Pädagogik. Und seit kurzem der LMU-Shop. Gleich dahinter ist die LMU-Mensa, aber da geht die Allgemeinheit nur äußerst selten hin, hab ich gehört.

Innere Anatomie
Viel komplizierter. Zwischen den Gebäuden zu wechseln kann jeder Depp, innerhalb der Gebäude einen Raum zu finden ist dagegen schwer, das lässt einen schon öfter an menschliche Grenzen stoßen.
Da gibt es einmal Räume, die die meisten nie besuchen, die man aber schon findet, wenn man sie sucht, weil sie ganz gut ausgeschildert sind, zum Beispiel die Große Aula. Das geht noch.

Dann gibt es Räume, die nicht ausgeschildert sind, man noch aufgrund des namens eine ungefähre Ortsangabe bekommt, aber kläglich an dieser scheitert. Zum beispiel mein einer Seminarraum. Da haben wir uns zum ersten Mal richtig aussichtslos verlaufen. Der ist nämlich im Untergeschoss des Hauptgebäudes – Dieses erreicht man vom Haupteingang, in dem man links an der Haupttreppe vorbei geht, dann die erste von vier identischen Holztüren öffnet (hinter den anderen drei Türen liegen Hörsäle), über die Treppe hinter der Tür das Gebäude verlässt und dann, in einem Innenhof, also draußen eine Treppe in ein Kellerähnliches Ding nimmt. Tatsächlich sind dort unten Seminarräume, mit Linoleumboden. Wenn es also aussieht wie in einem Container, obwohl man im Hauptgebäude ist, dann ist man richtig.

Dann gibt es Räume, die keiner kennt und wenn man sie braucht, hat die Pforte (dazu gleich mehr) gerade zu. Zum Beipsiel mein Seminarraum heute, in einem Zwischengeschoss namens von D. Da durfte ich ganz alleine hin navigieren. Ich im ersten Stock richtung D, ganz zum Ende eines Ganges, eine Treppe nach unten, vorbei an Zwischengeschoss C, vorbei an einer Baustelle, durch einen Gang, durch einen ominösen Vorraum, wo dann irgendwo ein laminiertes Zettelchen mit Pfeil hing, dem nach, durch eine Tür: schlagartig Linoleum, Containerflair (also wohl richtig), vorbei an etlichen Seminarräumen und schließlich zu meinem.

Dann gibt es Räume, die es nicht einmal auf dem Plan gibt. Heute waren wir zu zweit auf der Suche nach einem Raum Z 008 oder so, in der Oettingenstr. Die Oettingenstr. hat nicht nur einen Lageplan, sondern auch einen Informationsschalter, aber keine Räume mit Z. Die Abteilungen sind alphabetisch bezeichnet, etwa A-L, dann gibt es U im Untergeschoss aber kein verdammtes Z. Eventuell mag es die Lage verkomplizieren, dass sie dort gerade umbauen und überall Schildchen mit Dingen wie „F E“ hängen, aber ein Z gibt es nach wie vor nicht. Wir sind Gänge hin und her gerannt, haben etwa fünf kompetent aussehende Menschen befragt, ein Z hatte noch keiner gesehen. Dazu muss man allerdings sagen, dass in den Gängen die Räume saublöd oder gar nicht nummeriert waren. Da war dann auf der einen Seite U-irgendwas, auf der anderen ständig 27. Wahrscheinlich ein voll lustiger witz unter den Insidern. Der sechste Insider kam dann auf die Idee, uns zumindest mal in Richtung der Computerräume zu schicken. Inhalt von Computerraum 1 kante auch kein Z 008… außer einer, die meiste, das könnte eventuell Gobi sein. Witzig, es war dann Gobi. Gobi selbst schien aber auch kein Z zuhaben, nur irgendeine U-Nummer, aber was solls.

Das Beste allerdings ist: Keiner kennt sich aus. Das ist überhaupt der Grundsatz, das habe ich diese Woche gelernt. Wenn man Glück hat, wissen die an der Pforte, wo man hin muss. Wenn man Glück hat – un die Pforte offen ist. Ansonsten kennt keiner die gesuchten Räume. Man kann schon Dozenten oder ältere Studenten anquatschen, aber mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit kennen die sich auch nicht aus. es sei denn, natürlich, man trifft auf Menschen, die zufällig mit den Räumen zu tun haben. Ansonsten heißt es: „Da bin ich jetzt überfragt“, „Sie fragen aber Sachen!“ oder, am besten: „Ach ja, Sie gehen da vor, runter, und dann rechts und da..“ (*trommelwirbel*) „…hängt ein Lageplan“.