Wenn das Leben selbst leben würde, dann wäre es sicher sehr hinterhältig. Und schadenforh. Das, das ich kenne, zumindest.
Sonntagabend saß ich da und ging meinen groben Montagsplan im Kopf durch. Erste: frei, okay, zweite Geschichte: nicht viel gemacht, nur Parteiprogramme, dritte Englisch, vierte Chemie, frei, Deutsch, frei. Und dann Kunst. Wie immer keine Abfrage, ein Referat von irgendjemandem. Wer war denn noch mal mit Refera… Verdammt, ich. Van Gogh. Ich wollte mir ja Mühe geben.
Ein paar der Kunsteferate, die ich sehr gut fand, wurden nicht so benotet. Ein paar Referate die ich mittelmäßigfand, dagegen schon eher. Es lag nicht an den Anforderungen, sondern an imaginären Sonderbonbons, das heißt: Schüler mir Powerpointpräsentationen wurden besser benotet als die mit Folien, obwohl Powerpoint selbstverständlich nicht als verpflichtend gilt. Ich mag Powerpointpräsentationen nicht wirklich. Jedenfalls nicht so, wie sie verwendet werden. Wenn die Businessweld Statistiken an die Wand wirft, dann ist das was anderes, als wenn Schüler im Konstunterricht einen Lebenslauf eines Künstlers mit möglichst bunten Hintergrund und Times New Roman / Arial (mehr kennt der Schüler in der Regel nicht) in einer möglichst unpassenden anderen Farbe gehalten zeigen. Es endet ja doch meistens in Effekt- oder mindestens Farbvergewaltigung und ich mag es nicht, wenn das auch noch beeindruckt. Und wenn wir uns auf das Wesentliche beschränken würden – nämlich das Zeigen der Zeichnungen oder Gemälde und nicht dem detaillierten Lebenslauf, der genauso auf dem Arbeitsblatt steht – ist dann nicht wieder der organisatorische Aufwand für eine Powerpointpräsentation mit drei Bildern zu viel? Trtzdem entschloss ich mich, die erste Powerpointpräsentation meinstes Lebens anzufertigen. (Das „erste“ war kein Problem, technisch ist das ja sehr einfach, ich mag sie einfach nur nicht.)
Van Gogh ist ja ein sehr großes Thema, über das man viel sagen kann. Und sehr interessant noch dazu. Es kam also dazu, dass ich sehr lange an dem Referat saß. Sehr, sehr lange. Ich merke meine Müdigkeit kaum, wenn ich, nennen wir es einmal, arbeite und als ich mich um drei Uhr morgens für offiziell fertig erklärte, hatte ich eine Präsentation mit 25 Seitenund ein doppelseitiges Arbeitsblatt mit farbigen Bildern. Das Einzige was ich nicht hatte, war der Titel des Buches aus der Schulbibliothek, von dem meine gesamten Notizen abstammten. (Die Notizen hatte ich schon eine halbe Woche herumgetragen) Ich hielt mein Referat für sehr intelligent. Die Tatsache, dass es nur Kunst war und nicht etwa etwas Wichtiges wurde von meinem eigenen Ehrgeiz überschattet, der nun einmal von mir verlangte, zu zeigen, dass detaillierte Lebensläufe sowieso blöd sind. Und das ich mich durchaus mit Powerpoint abfinden kann, wenn es denn sein muss, und zwar ohne Arial in grasgrün.
Und dann , als ich am Montag in der Aula stand und noch einmal überprüfte, ob sich der USB-Stick auch wirklich in meiner Hosentasche befand, sprachen mich die schicksalshaften Worte aus dem mund eines Mitschülers an: „Du, Kunst fällt übrigens aus.“
(Vernachlässigbare Tatsache: Nächster Termin ist nach den Osterferien.)
Ich brauche dreißig Minuten zum Abregen. Irgendwo verständlich. Schließlich lässt das schadenfrohe Leben die anderen menschen auch in Ruhe. Die anderen Menschen hätten kein Problem gehabt, falls ihnen das Referat um neun Uhr am Sonntagabend eingefallen wäre. Sie wären zuhause geblieben, oder hätten es am Vormittag gemacht und wären erst zu Kunst in die Schule gegangen oder sie hätten sich keine Mühe gegeben. Dass ich eine dermaßen arrogante Person bin, die es für ein Einstellungs- und nicht für ein Arbeitsproblem hält, wenn jemand nicht in die Schule gehen kann, weil er am Vortag bis zwölf an einem Referat gearbeitet hat, dass ich es für Blödsinn halten shcule mit Schule zu entschulidigen, dass ich denke, dass man mit den Anforderungen schon zurechtkommen kann, wenn man es sich passend einrichtet (Wenn ich weiß, dass ich nicht in die Schule kommen könnte, wenn ich bis zwölf an einem Referat sitze, dann muss ich eben dafür sorgen, dass es nicht zwölf wird. Jedem das Seine.), das habe ich mir ja nicht aus freien Stücken ausgedacht. Das ist vollkommen unterbewusst. Da muss es auch bleiben, sonst bin ich gleich wieder der Depp. Letztens war ich angeblich Schuld, dass mein Biogrundkurs einen Arbeitsauftragsfilm anschauen musste, obwohl das eindeutig von anderen ausging. Ich sagte lediglich, dass man es uns wohl nicht abnehmen würde, wenn wir behaupteten, es wäre Stromausfall gewesen.
Aber gut, ich war dann der Depp. (Sogar auch ein sehr unsozialer Depp, weil ich dem Film, den ich ja unbedingt wollte, nicht einmal aufmerksam folgte.)