Ich fange da an, wo ich gestern aufgehört habe, nämlich in Osaka. Ich gebe zu, dass ich keine Ahnung von Osaka habe und es mich bisher nicht so sonderlich gereizt hat. Dafür kann Osaka nichts, das ist angeboren. Tokio ist eine Riesenstadt und irgendwo ein diverser abgeschlossener Komplex, ähnlich wie New York City. Wenn ich eine andere Stadt als Tokio sehen möchte, würde ich vermutlich immer das traditionelle Kyoto wählen statt Osaka direkt daneben. Das verdient Osaka gar nicht. Osaka ist cool. Wenn Tokio New York City ist, ist Osaka Chicago.
Und Osaka ist der Knotenpunkt zwischen dem Tōkaidō-Shinkansen und dem San’yō-Shinkansen, seiner westlichen Fortsetzung bis Kyushu. Die meisten Züge nutzen Teile beider Abschnitte, zum Beispiel gibt es welche von Tokio bis Hiroshima. Insofern war es für mich klug, in Osaka zu nächtigen, um mich am nächsten morgen in einen Sakura nach Shin-Yamaguchi zu platzieren. (Wird es langsam zu kompliziert für Nicht-Insider? Tōkaidō/San’yō ist die Strecke, Nozomi, Hikari, Kodama, Sakura und Mizuho heißen die Services auf der Strecke)
Gegen 18:00 kam ich an, fuhr eine Station Zug und fühlte mich dann so schlecht, dass ich mit meinen zwei Rucksäcken etwa sieben Rush-Hour-Japanern den Platz wegnehme, dass ich wohl oder übel zu Fuß laufen musste. (Zu Fuß ist auch immer gratis) Ich verlief mich dann eine halbe Stunde lang, weil der Google Maps Richtungspfeil mich pausenlos verarschte, weil Kreuzungen für Fußgänger gesperrt waren und weil was weiß ich, wie der einzig richtige Bahnhofausgang heißt. Aber Umeda kenne ich jetzt.
Anschließend warf ich mein Hab und Gut ins Hostel und fuhr nach Dōtonbori, weil was anderes kannte ich nicht. Das ist was mit vielen Leuchtreklamen und vielen Menschen. Hauptberuflich wollte ich endlich in Japan Okonomiyaki essen, weil ich es das letzte Mal schlichtweg verpennt habe. Und soweit ich weiß, bietet das auch kein Restaurant in Hamburg an und in München nur eins. Ich suchte mir den Laden mit der längsten Schlange (aus Japanern) und es hat sich gelohnt. Allerdings hätte ich gar nicht die Empfehlung nehmen müssen, so ein vollgestopftes Ding mit einer ganzen Batterie an Tier (Rind, Schwein, Oktopus, anderer Fisch, Shrimps – das war mir aufgefallen. Vielleicht war auch noch Bär dabei.), mit geht es eigentlich nur um die Basis. Es folgt ein tolles Katsuobushi-Gif, für das ich sehr viel Lebenszeit geopfert habe und jetzt ist es zu groß, zumindest für das Hostel-Wlan. Aber wir versuchen es mal, ja?
Heute waren dann die ersten fünf Stunden Reisetag, und zwar von Shin-Osaka nach Shin-Yamaguchi mit dem Shinkansen, anschließend von Shin-Yamaguchi nach Yamaguchi mit einem sehr langsamen Zug. Falls das jemand wissen möchte, „Shin-“ (新) heißt soviel wie „Neu“. In Städten, in denen der Shinkansen nicht direkt an den jeweiligen Hauptbahnhof angebunden werden konnte, hat man ihm eben einen neuen Bahnhof hingestellt. Jedenfalls, von dort aus bin ich mit einem Bus durch das Landesinnere auf die andere Seite von Japan gefahren, nämlich nach Hagi (Präfektur Yamaguchi).
Hagi ist eine kleine hübsche Stadt an der Küste, die zwei Hostels hat, und deshalb bin ich hier. Sonst richtet sich das Übernachtungsangebot eher an Leute, die sich „mal was gönnen wollen“. Bis auf die Tatsache, dass es sich um infrastrukturelles Ödland handelt, finde ich es sehr hübsch. Mein Hostel lieh mir ein Rad, sogar gratis, weil es schon Nachmittag war und dann fuhr ich über vier Stunden durch die Gegend. Hagi hat enge Gassen, in denen Autos nur langsam fahren können, Radwege, schöne Häuser, Kanäle, in denen Fischreiher rumstehen und einen Strand. Außerdem Linksverkehr und dreieckige Stopschilder, auf denen nicht „Stop“ sondern „止まれ“ (tomare) steht. Da aber, wie gesagt, Autos sehr langsam oder gar nicht fahren, ist alles sehr entspannt/entspannend. Und ich konnte bis zum Tōkōji (ein Tempel) fahren, auch wenn ich mückenmittellos nicht lange bleiben wollte.
Andere westliche Touristen habe ich noch keine gesehen. (Ha!) Leute, die fließend Japanisch sprechen können, sagen ja gerne Dinge wie „Hm, nee, also außerhalb der Touristenzentren sollte man schon fließend Japanisch sprechen können.“ Ich halte das für Quatsch. Außerhalb der Touristenzentren sollte man nicht erwarten, dass das Gegenüber fließend Englisch spricht. Die Menschen sind dort genauso freundlich wie überall anders in Japan auch und wahrscheinlich sogar bemühter. Mir hat heute eine Frau am Tempel drei Mal auf verschiedene Arten erklärt, welchen Ausgang ich benutzen soll, falls der Haupteingang inzwischen geschlossen wird. (Ich hatte es beim ersten Mal schon verstanden, aber das hatte sie mir wohl nicht ganz geglaubt.) Und irgendwelche Zettel, Broschüren, Fahrpläne, liegen meistens auch auf Englisch vor. Also lasst euch nichts einreden, auch am Arsch der Welt in Japan wird niemand versehentlich für immer in Schreinen eingesperrt.
Morgen möchte ich in die benachbarte Stadt Nagato, die mich eigentlich auf die Präfektur Yamaguchi brachte. Zwei Sachen will ich anschauen. Es ist verkehrsmitteltechnisch etwas düster und ich werde für Taxifahren mein Gewicht in Scheinen auf den Tisch legen müssen. (Ich hoffe, es gibt Taxen, das Internet sagt immer „by taxi“) Wahrscheinlich ist das der Preis für Hipsterziele, die sonst nur japanische Reisebusse finden, aber hätte man erwarten müssen, dass etwas, was „Sanin Main Line“ heißt und eine fast 700km lange Verbindung nach Kyoto entlang der Küste ist, eingleisig ist und sehr selten und unregelmäßig fährt? So abschneiden müsste man die Yamaguchi-Menschen auch nicht.
Oh ja, Hagi ist toll und nebenbei eine Töpferstadt (nur wie es korrekt ausgesprochen wird haben wir nicht rausgefunden) . Und unser Hostel war die letztes Jahr die schönste Übernachtung in 4 Wochen.
Danke fürs mitnehmen!
antje
Interessanter Bericht und sehr schöne Fotos!
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