Die meiste Zeit lerne ich für irgendwelche Prüfungen, das ist so mein Lebensinhalt zur Zeit.
Das ist natürlich eher eine bedauerliche Tatsache. Und wenn man so die Auswahl hat zwischen Schweigen (Gold! Gold!) und dem Argument der Blogfeindgemeinde, zu viele würden schreiben, obwohl sie nichts zu sagen haben, dann ist es dieses Mal im Finale das Schweigen geworden. Jammern ist schon im Halbfinale ausgeschieden.
Im Moment ist es gerade Analysis. Klausur am Dienstag. Analysis ist voll blöd. Und erinnert mich an mein Mathegelerne vor dem Abi. Man hat die zwei LKs, da ist das Lernen gar nicht so die Pest, weil da dann wenigstens noch ein Funken Interesse mitspielt. Dann ist da das Colloquium, bei dem man viel mehr Lernstoff lernen muss als woanders. Und dann bleibt das Grundkursabi, in meinem Fall Mathe und man muss sich den zähen Kram irgendwie ins Hirn pressen.
Und dann kommt dazu, dass Uni-Mathe arrogant ist und das nervt. Das ist wie bei einer bekannten globalen Kette, die auf den Verkauf von Kaffeeprodukten spezialisiert ist und sich gelegentlich weigert „Cappuccino“ oder „groß“ zu verstehen, weil es bitte grande Hot-Fraccu-Creamo-Shaki-ccino-Lite-TM heißt. Und dann gibt es Sandwiches, die öfter nicht mit besonderem Genuss verbunden sind. („Sandwich-Lemma“, für die Outsider) Und dann gibt es Zeug, dass ich biher nur aus Stochastik kannte und ich mochte Stochastik. Aber ich mag auch Erdbeeren und will trotzdem keinen Erdbeersirup in meinem Kaffee, danke. Nein, auch nicht obendrauf.
Und dann gibt es das Summenzeichen, welches ich nicht mag.Es sieht gefährlich aus und macht mit seinem plötzlichen Auftauchen das elementare Verständnis der „Summe“ kaputt, also sozusagen den ersten Zugang, den man überhaupt zur Mathematik hatte. Psychologisch gesehen ist das wahrscheinlich etwa gleichzusetzen mit der Schlachtung und anschließenden kunstvollen Zubereitung des ersten Haustieres oder so. Außerdem halte ich die Ästhetik von Sigma für anfechtbar. Das ist ein hässliches Teil Zig-Zag mit anderen Dingen drüber und drunter, was immer schlecht ist, denn bekanntlich ist das gemeine Karoraster eines Papierblattes nur bedingt mit solchen Ausbrüchen vereinbar.
Die anderen griechischen Buchstaben sind ganz in Ordnung. Manchmal klingen sie wie Physik, und ich mochte Physik bekanntlich nicht. C-Mal-M-Mal-Delta-Theta! Keine Ahnung, wofür das steht, wohl irgendetwas mit Energie und Wärme, aber so klingt Physik.
Doch dann kam Xi. Man spricht es wohl „Ksi“, aber bisher wurden wir über „Schi“ unterricht. Auch mit dramatischer Dehnung: „Schi-i“. (Hat aber nichts mit Schiiten zu tun.) Bei ? frage mich regelmäßig, was durch den Kopf des mathematischen Großmeisters ging, der sich das aus einer Auswahl griechischer Buchstaben aussuchen durfte. Ich halte dieses mit unbekannte Indiviuum bei allem Respekt für seine offensichtliche Leistung für einen bekloppten egoistischen Pseudoexzentriker. ? ist nämlich nicht besonders kompatibel mit meiner Hand. Ich blicke bereits auf eine nicht unerhebliche Gallerie von verreckten Regenwürmern und horizontalem Loopinggekritzel zurück und ich bin der bescheidenen Meinung, dass der Meister des ? das Konzept „Form Follows Function“ nicht verstanden hat. Beziehungsweise er hat sich absichtlich dagegen gesträubt. Er hat sich für das enfant terrible der Buchstabenauswahl gehalten. (In der kalten Mathematik ist ja sonst so wenig Paltz für enfants terribles) Und selbst trainiert von zahlreichen Schwungübungen, zunächst mit einer improvisierten ?-Schablone, konne der ?-Meister natürlich sein Produkt schon ganz annehmbar auf Papier bringen. Die Früchte seinen jahrelangen akribischen Vorbereitung mir der mathematischen Untersterblichkeit seines Buchstaben als Ziel.
Und keiner kann Xi hübsch hinmalen. Aber keiner gibt es zu: oben erwähnte Eigenschaft mit „A“.
Vermutlich gibt es gemeine Übungsbücher zum ?-Malen. So, wie man Kindern das Notenschlüsselzeichen beibringt. Mit dem Unterschied, dass Mathematiker in ihrer Kindheit vielleicht Notenschlüssel gelernt haben, aber kein ?. Ich weiß noch nicht, ob ich eher glauben will, man erfahre die Kunst des Schi-i in verschwiegenen Abendseminaren während des Mathestudiums, oder ob es spezielle ?-Malbücher gibt, die völlig anonym in falschen Schachteln über das Internet zu bestellen sind.