Glitzer und Äpfel

Ich muss gestehen, ich habe jetzt leider keine Lust mehr über Lipschitz-Stetigkeit nachzudenken. Es ist ja auch schon spät. Möchte bei dieser Gelegenheit anmerken, dass mein Gewissen ein egoistischer penetranter Unsympath ist. Das läasst mich fast gar nicht in Ruhe. Aber um die Uhrzeit am Samstag geht es einigermaßen.

Folglich werde ich die Gelegenheit nutzen, mich unbeliebt zu machen. 

Ich war heute im Kino. Es gab „New Moon“. Es war ein Gruppenzwangkino, aber eventuell hätte ich mir den Film auch so ansehen wollen. Zwar nicht auf deutsch und nicht an einem Samstag, aber an sich ja schon. Vielleicht. 
„New Moon“ ist, wie man ja weiß, eine Literaturverfilmung. ich habe besagte Literatur auch gelesen, vor etwa einem Jahr. Damals, am 30. Januar (stimmt das?) habe ich Vormittags meine Facharbeit abgegeben und mich Nachmittags mit Büchern belohnt, die man möglichst ohne Belastung des Gehirns lesen kann, als Ausgleich zu dem, was ich für die Facharbeit lesen musste.
Also habe ich mir damals die sagenumwobene Twilight-Saga komplett gekauft. Gehört hatte ich schon viel darüber. Immer wieder ein bisschen. Es hat zum Beispiel ein wenig gebraucht, bis ich verstanden habe, dass dieser „Twilight“-Kram das Original ist zu den seltsamen deutschen Büchern mit dem komplett bescheuerten Wortspiel als Titel. (Zur Erinnerung: „Bis(s) zum Morgengrauen“ und Freunde) Als ob man sonst mit den überwältigenden Fähigkeiten von Titelübersätzern mit ihrer besonderen Leidenschaft für „Liebe“ nicht schon genug Anlass zum Kopfschütteln hätte… (Heute erst wieder einen Trailer gesehen. Originaltitel: „The Rebound“. Deutscher Titel: „Lieber Verliebt“) Aber das ist ein ganz anderer Teller Buchstabensuppe.

Die englischen Twilight-Bücher haben zunächst wirklich hübsch Cover. Das muss man ihnen lassen. Die Illustrationen sollen hauptsächlich tiefsinnige Metaphern sein, aber an Genialität grenzen sie bedauerlicherweise nicht. Trotzdem, der rote Apfel auf dem ersten Band ist nett.

Und dann kommt die Story. Wir haben eine Sterbliche, das ist die Bella und einen Vampir, das ist der Edward. Und die verlieben sich jetzt. Das ist aber mit Komplikationen verbunden, weil Vampire ja theoretisch die Bella essen könnten. Beziehungsweise umbringen. Das wäre die Grundidee. Dann ist noch erwähnenswert, dass Vampire an sich und der Edward im Speziellen als ungeheuer gutaussehend beschrieben werden. Und das wäre die Grundidee der Hysterie um dieses Schriftwerk.
Im ersten Band ist die Handlung noch ganz nett, für ein Buch für eine weibliche Zielgruppe, zu der ich nicht mehr gehörte. (Aber wir erinnern uns: Lesbar ohne Hirn) Es ist entspannend, dass ein Fantasybuch ohne blöde Drachenviecher auskommt, weil es so für keinen Verlag einen Grund gibt, eine grinsende/weinende/erschreckende/wütende Drachenvisage auf das Titelbild drucken zu lassen. So fällt es leicht, das Buch von anderen „Fantasy“-Werken der Unterhaltungsliteratur für Kinder und Jugendlich zu unterscheiden. :-) Außerdem gibt es eine Hysterie und da ist es immer nett, ein bisschen mitzumachen. Ist doch schön, wenn Kinder sich auf Bucherscheinungen freuen wie auf Weihnachten und wenn die, die sonst nicht lesen, auch einmal ein bisschen mitreden können. Es war ja auch viel toller, „Harry Potter“ zu lesen, als ich ihn gelesen habe als wenn ich jetzt mit dem ersten Band anfangen müsste.

Also habe ich das gelesen. Ging leicht und schnell und war nicht besonders anspruchsvoll. Aber ich frage mich seit dem, ob denn die ganze weibliche Fangemeinde die stockdoofe Hauptperson Bella, aus deren Perspektive erzählt wird nicht als Beleidigung sehen. Man muss sich doch weigern, sich mit dem geistigen Niveau eines Toastbrotes zu identifizieren. Oder ist es so, dass man am Anfang, wenn in der Regel die Figur noch mental ganz in Ordnung scheint, auf sie herein fällt und dann die nächsten tausend Seiten nicht mehr aus dem Toastbrotkasten kann?
Das ist wohl ein Phänomen. Mir fällt da spontan „The Princess Diaries“ ein, das jetzt nach zehn Bänden vor gar nicht so langer Zeit zum Ende gekommen ist. Ganz zu Beginn war die Figur Mia Thermopolis, wohnhaft in Manhattan, die irgendwann, vermutlich mit 16, erfährt, dass sie Prinzessin eines europäischen Landes ist, überaus sympathisch und den bösen Püppchenfeinden weitaus überlegen. Etwa ab dem fünften Band nahm die Intelligenz gleichzeitig mit der Individualität deutlich spärbar ab, davor nur ein bisschen. Im achten Band agiert Mia mit dem Verstand einer abgelaufenen Tüte Vollmilch. An das neunte kann ich mich nicht erinnern, das zehnte Buch habe ich nie angefasst.
Irgendwann würden beide Heldinnen reduziert auf Beziehungsgeseusel. Die Form von Beziehungsgeseusel, wenn es nichts zu Seuseln gibt. Erläutern wir einmal das Geseusel anhand eines Schweinsbratens.
Figur möchte Schweinsbraten, Figur bekommt Schweinsbraten. Figur freut sich, Schweinsbraten auch.
Doch dann.
Figur (denkt): Mein schöner, schöner, schöner Schweinsbraten! Du bist wirklich sehr lecker! […] Du schmeckst gut, lieber Schweinsbraten […] Ob der Schweinsbraten mich wohl auch so gerne mag wie ich ihn? Soll ich ihm sagen, dass er mir schmeckt? Nein, dass kann ich auch nicht, er muss zuerst sagen, dass er froh ist, dass ich ihn essen.
Schweinsbraten: schweigt.
Figur (denkt): Er hat immer noch nichts gesagt. O GOTT, er mag nicht, dass ich ihn esse. Ich muss weinen. (Figur weint) Das ist so gemein, nach alles, was ich für ihn getan habe. Er möchte sicherlich von jemand anderem gesessen werden, nicht von mir! Sicherlich hat er in der Metzgerei jemanden gesehen und jetzt möchte er lieber von ihr gegessen werden als von mir, O GOTT ich bin am Boden zerstört. Ich hör auf zu essen.
Figur: Schweinsbraten?
Schweinsbraten: Ja?
Figur: Schweinbraten, ich weiß, dass dich in der Metzgerei noch jemand angeschaut hat und du möchtest lieber von jemand anderem gegessen werden, richtig? Schweinbraten, sag mir die die Wahrheit – es bricht mir das Herz, aber spricht es aus. (weint)
Schweinbraten: Nein, nein, du bist mir schon recht, du darfst mich essen.
Figur freut sich: Schweinsbraten will nur von mir gegessen werden! Schweinsbraten ist super. […] Figur denkt: Puh. OH GOTT, Schweinsbraten braucht eine Beilage.. OH GOTT ich brauche eine PERFEKTE BEILAGE für Schweinsbraten und finde keine!!!! OH GOTT was mach ich jetzt?!?! Schweinsbraten wird NIE mein ABSCHLUSSBALL (!!!) GERICHT sein, wenn ich ihm keine schöne Beilage gebe!!!!
Schweinsbraten: Was is denn los?
Figur: DU BIST HEUTE AUF MEINEM TELLER UND ICH HABE KEINE PERFEKTE BEILAGE!!!
Schweinsbraten: Der Kartoffelsalat passt doch.
Figur: Puh!
Figur denkt sich: Schweinbraten ist schon wieder so schweigsam. Was hat er nur? OH GOTT, er will bestimmt, dass ich ihn salze! Alle, die ich kenne, salzen ihre Schweinsbraten, er erwartet das bestimmt von mit OH GOTT, er will nicht, dass ich ihn esse, wenn ich ihn nicht salze!! OH GOTT – ICH WILL IHN NICHT SALZEN!!!!
Schweinsbraten: Was hast du denn schon wieder?
Figur: ICH WILL DICH NICHT SALZEN!!!!!!!! ABER DU WILLST NICHT VON MIR GEGESSEN WERDEN, WENN ICH DICH NICHT SALZE!!!!
Schweinsbraten: Mir ist alles recht, mach, was zu willst.

Ich gebe zu, das war eher „The Princess Diaries“  – einen „Twilight“ Entwurf habe ich auch, aber für das Ende war ich letztendlich dann zu müde. :-)

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