Juneau

Alaska Airlines Milk Run (2019)

Im Herbst 2019 war ich mir meiner Familie in Alaska und davor habe ich sehr viele Jahre damit verbracht, nach Alaska zu wollen. Das hat damit zu tun, dass mich die Natur vom Hocker haut, aber auch, dass ich das Wort „Alaska“ sehr gerne mag. „Alaska“ steht immer groß auf Weltkarten, oft viel größer als andere schöne Orte und ich habe schon als Kind angefangen, dem Weltkartenort Alaska alle mögliche Faszination nur so nachzuwerfen. So weit Weg, so leer, so wild, so unbedeutend, seit Passagierflugzeuge nicht mehr in Anchorage zwischenlanden müssen. 2019 also: Alaska. Das hat auch solange gedauert, weil Alaska leider doch ein eher teures Pflaster ist (sich aber nicht so anfühlt). Das muss man abwägen, wie sehr man wirklich nach Alaska will.

Ab und zu gibt es von Europa (meist saisonal) Flüge direkt nach Anchorage. (Dürfte aktuell Condor sein, geplant auch bei Lufthansa) Ansonsten reist man für gewöhnlich aus dem Rest der USA an. Meist aus Seattle. Und ab Seattle gibt es ein paar besondere Flüge, die auf meiner Bucket List standen, falls ich denn einmal nach Alaska reise. Und meine Familie war auch so lieb, die längeren Flugzeiten auf sich zu nehmen. And now I can proudly present: The Alaska Airlines Milk Run.

In Alaska spielen Straßen eine unter geordnete Rolle. Die Hauptstadt Juneau gelegen auf der „Panhandle“, also dem schmalen südöstlichen Teil von Alaska, sieht zum Beispiel sehr gut be-road-trip-bar aus, ist aber nicht über Straßen vom Rest der USA aus zu erreichen. (Okay, inklusive Fähren gehts). Und so ist das oft. Nachdem man also nicht so einfach eine Truck-Kolonne nach Alaska jagen kann, wird viel per Flugzeug transportiert. Alaska Airlines (die im Rest der USA ganz „normal“ fliegen) hat in Alaska ein Streckennetz aufgebaut, dass auch sehr, sehr kleine Orte anschließt, oder Orte wie Deadhorse an der nördlichen Küste Alaskas, wo nicht viel los ist außer Öl bohren und Versorgung von Ölbohrenden.

Entlang der dichter besiedelten Südküste werden kleine Orte vor allem über Zwischenstops erreicht. Die Maschine fliegt also nicht direkt von Seattle nach Anchorage, sondern landet eben vier, fünf Mal unterwegs. Nachteil: Es dauert. Es ist ein bisschen bekloppt. Vorteil: Es ist ein bisschen bekloppt. Das Publikum und die Fracht gibt es wahrscheinlich nur dort. Und: Wenn man Glück mit dem Wetter hat (und Alaska mag) bekommt man welche der besten Aussichten überhaupt.

Bevor wir Abheben, noch ganz kurz: Bis vor kurzem wurde die Strecke mit 737-400 Combis beflogen, also halb Passagiere, halb Fracht. Das hätte ich sehr spannend gefunden, aber mittlerweile sind Standard-737 dort unterwegs. Man kann die Flüge bei Alaska Airlines regulär buchen, wenn man weiß, nach welcher Flugnummer man suchen muss. Wir flogen:
Alaska Airlines 65: Seattle – Ketchikan – Wrangell – Petersburg – Juneau – Anchorage
und ein paar Tage später:
Alaska Airlines 61: Seattle – Juneau – Yakutat – Cordova – Anchorage

Seattle (SEA) – Ketchikan (KTN), 1:30h

Stand-By-Kollegen sollten feuchte Augen bekommen bei dem so entspannt ablesbaren Capacity/Booked/Checked-In

Der Flug erforderte sehr frühes Aufstehen, hob dann aber doch verspätet ab. Ich habe solange gelernt, dass der Seattle-Tacoma-International Airport nicht nur im Sprachgebrauch SeaTac heißt, sondern dass sogar in Pokémon Go dort gefangene Pokémon „SeaTac, WA“ als Ortsangabe haben.

An diesem Tag war das Wetter nicht besonders grandios – Zwar sonnig in Seattle und über weiten Teilen von British Columbia, aber dort, wo es dann spannend werden würden, über Alaska war die Prognose eher regnerisch.

Ketchikan (KTN) – Wrangell (WRG) 0:30h

Herzlich Willkommen im Land der Toten Fische. Spätestens hier wird dann bewusst: Die Motivation der meisten Reisenden ist toter Lachs oder (noch besser) toter Heilbutt. Die Passagiere entsprechen exakt dem Bild, dass man sieht, wenn man American Dads on a Fishing Trip denkt. Exakt. Vom Flannelhemd bis zur Zuhause gebliebenen Familie. (Obwohl, ab und zu darf auch ein Teenage-Son mit auf Fishing Trip). Zudem kommt, dass streng genommen Frozen Fish Run zutreffender wäre als Milk Run: Ein Großteil der Fracht ist Fisch. Fisch in privaten Kühlboxen, Fisch in kommerziellen Kühlpaketen. Unsolicited Plane Info: In eine Boeing 737 passen (im Gegensatz zum Airbus-Pendant A320) keine Cargo-Container, insofern sieht man die Fracht immer sehr gut raus und reinfahren. Wie eigentlich auf dem ganzen Flug Richtung Norden: Das F-Fenster ist besser als das A-Fenster.

Außerdem zu sehen: Ein Wasserflugzeug! (Ketchikan hat auch eine Wasserlandebahn, wie viele Flughäfen in Alaska) Und die Feinde für die nächsten Tage: Im Rudel auftretende Riesenkreuzfahrtschiffe mit mehr Passagieren als Einwohnern in den Häfen. Ugs.

Wrangell (WRG) – Petersburg (PSG) 0:12h

Kürzester Flug meines Lebens. Manchmal dauert er 10 Minuten, an dem Tag waren es aber offiziell 12 Minuten. Das Wetter war mau, aber nun ja. Hier merkt man dann: So wie da ist man noch nie einer 737 geflogen. Natürlich steigt die Maschine kaum für die 12 Minuten, man bleibt unter den Wolken, über ein bisschen Wasser und setzt dann sehr sehr hart auf der nächsten Insel wieder auf. Die Landebahn in Petersburg ist zum Beispiel nur 1951 m (6400 ft) lang. Zum Vergleich: 4000 m ist das, was man so an größeren Flughäfen findet. Bei Regen ist es vermutlich ganz schlau, da gut draufzudonnern. (Mich persönlich würde ja interessieren, ob man in der Fahrwerk-Maintenance merkt, welche Maschinen öfter einen Milk Run fliegen, aber das ist keine Info, die so im Internet rumliegt, fürchte ich.)

Petersburg (PSG) – Juneau (JNU) 0:30h

Auf dem letzten Stück in die Hauptstadt Alaskas war es dann ganz vorbei mit Wetter: Geschlossene Wolkendecke (man flog wieder über den Wolken) und ich hoffe, nichts Grandioses verpasst zu haben. Hat man ein bisschen mehr Gelegenheit, dem Publikum zuzuhören, das den Flug sicher schon tausend Mal gesehen hat. Und Americans being Americans haben sie auch wenig scheu, miteinander zu sprechen und sich gegenseitig Lebensgeschichten zu erzählen. Die meisten wollen nach Anchorage, wohin dieser Flug nach Juneau non-stop weiterfliegt. Für Arbeit, für Arztbesuche. Spannende Vorstellung, sich ein paar Stunden in ein Flugzeug zu setzen, für einen MRT-Termin (geraten, Röntgen kann vielleicht ein Dorfarzt?). Ist aber glaub ich auch nicht, was ich für mich wollen würde.

Juneau (JNU) – Yakutat (YAK) 0:35h

Ein paar Tage später. Es geht weiter auf Alaska Airlines Flug 61, das ist einer, der non-stop von Seattle nach Juneau geflogen ist und jetzt über Yakutat und Cordova nach Anchorage hoppst. Das Wetter ist gut. (YES!!!) Das Flugzeug ist eine 737-800 mit trendy Split Scimitar Winglets. Das ist nicht prüfungsrelevant, aber die Antwort auf die Frage, warum die Flügelspitze im Folgenden anders aussieht. („Treibstoffeffizienz“ wär die Antwort auf das „Warum“).

Noch mehr Information: Der Gletscher im Hintergrund ist der Mendenhall Gletscher. Das Flugzeugfenster war nicht ganz sauber – Ich habe viele Flecken wegretuschiert. Perfekt ist es nicht, war mir bei der Menge der Fotos auch zu viel unbezahlte Fitzelarbeit (man muss sagen, wie es ist). Ich habe mich außerdem entschieden, einiges an Luft/Blau rauszukürzen in der Bearbeitung, damit die Dinge eher die Farben haben, die sie haben. Ist vielleicht nicht jedermans Geschmack, sorry not sorry.

(Ich liebe einige der Bilder dieses Fluges sehr. Wer mich dafür mobbt, fliegt raus. Ich sags nur.)

Yakutat (YAK) – Cordova (CDV) 0:37h

Zunächst einmal: YAK ist ein verdammt cooler IATA-Code. Und dann noch: Letztes Jahr ist in Yakutat das Südwärts-Pendant zu diesem Flug mit einer Bärin kollidiert. Die Alaska-esqueste-Wildlife-Kollision, seit 1987 ein Adler einen Fisch auf ein Cockpitfenster fallen ließ.

In Yakutat gibt es auch wieder außergewöhnlich viel Fisch zu beladen, besonders viel Kommerzfisch. Außerdem versuchen wir in der Pause auf dem Boden ein bisschen unser Glück mit der Crew: Es gibt Blogposts, da freut sich die Besatzung über flugbegeisterte Touristen von weiter weg, da verschenkt das Cockpit Anstecknadeln und man bekommt die Erlaubnis, kurz auszusteigen und das Flugzeug auf dem Rollfeld (unter Beobachtung) zu fotografieren. Unsere Crew an dem Tag ist keine davon: Sie erlaubt zwei Schritte auf der Fluggasttreppe (auf keinen Fall das Verlassen derselben) und das Cockpit wünscht keinen Smalltalk. Das ist natürlich auch vollkommen legitim, eine Anstecknadel hätte ich trotzdem extrem gerne gehabt. (Und immerhin wär ich ja auch ein bisschen ge-background-checkt durch meinen eigenen Job.)

Flugmäßig kam auch hier ein unbeschreibliches Stück. Ich weiß nicht, wer ab und zu über Gletscher fliegt, aber ich persönlich tu das nicht so oft und konnte es ohne Übertreibung nicht fassen, wie atemberaubend das aussieht, wie die Ausläufer riffeln wie Wasser. Und wie man sieht, wie sie schrumpfen. (Das ist jetzt ein bisschen ironisch, das zu betrachten, während man im Flugzeug sitzt, ist mir schon klar. Immerhin bringt das Flugzeug Milk und MRTs und Kreuzfahrtschiffe nur Rentner in Funktionskleidung. Schwacher Trost.)

Cordova (CDV) – Anchorage (ANC) 0:40h

In Cordova warteten wir eine Stunde auf einen fehlende Passagier. Wenn man sich einen normal-großen Flughafen vorstellt, ist das ganz plausibel: Irgendjemand hat den Koffer schon eingecheckt und ist einem Restaurant versumpft. Was anderes ist es, wenn der Flughafen nur eine Baracke ist und es keinen Verkehr gibt, der einen Stau verursachen könnte. Aber in Alaska wird eben trotzdem gewartet, auch wenn die Passagiere erst nach der Abflugzeit am Flughafen ankommen. (Cordova hat noch einen zweiten, kleineren Flughafen, den Cordova Municipal Airport CKU, eventuell wurde der verwechselt) Die Passagiere checkten übrigens Fisch ein, und gerne wurde nochmal das Frachttürchen für den Fisch geöffnet.

(In diesem Fall war die Warterei ein bisschen öde, weil man schon wüsste, dass das letzte Stück im Vergleich zu den beiden Hopsern davor nicht mehr so spektakulär werden würde)

Ende.

Das wars. Ich bereue nichts. Ich möchte aber nicht Schuld sein, wenn jetzt alle exakt diesen Flug buchen und dann ist das Wetter so schlecht, dass man gar nichts sieht. Das kann nämlich sein und ich hatte wochenlang Angst davor.

Zurück ging es übrigens leider so eklig wie möglich, mit einem klassischen Red Eye von Anchorage nach Denver (und weiter nach Houston). Sprich fünf Stunden über Nacht in einer sehr kalten 737 (man möchte meinen, sie haben nichts anderes, ne?), man kann sich ja nicht immer erste Sahne Aussicht gönnen.

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