Ich trank extra viel Rotwein um nun unerbittlich subjektiv über Kunstmuseen zu urteilen

Eigentlich bin ich, glaube ich, vergleichsweise oft in Museen. Meistens in fremden Städten als unterhaltsames Touristenprogramm. Ich mag Museen mit wissenschaftlichen Dingen, solange mal Knöpfe drücken kann und Zeug anfassen darf, ich mag Museen mit seltsamen Dingen, über die man nicht denkt, dass es Museen über sie gibt und Museen mit Fotografie und Museen mit (post)moderner Kunst. Damit kann ich also schon recht gut durchgefüttert werden. Ob mich Museen mit nicht ganz so moderner Kunst wirklich interessieren, wollte ich demnächst einmal herausfinden, wenn mal wieder Dienstag ist. Mein Problem mit nicht ganz so moderner Kunst ist, dass ich, wenn ich eine Ausstellung betrete, nicht direkt Bilder sehe sondern etwa:

 

a) Betrachten Sie die folgenden Abbildungen. Ordnen Sie diese Künstler und Epoche zu und begründen Sie Ihre Entscheidung. (6 BE)

b) Betrachten Sie nun Abbildung 1.2 genauer. Analysieren Sie Bildaufbau und Darstellungstechnik. Stellen Sie anschließend basierend auf Ihren Erkenntnissen einen Bezug zum Lebenslauf des Künstlers beziehungsweise sein politisches/gesellschaftliches Umfeld her. (12 BE)

 

Nicht so moderne Kunst fühlt sich also immer so an, als müsste man etwas Kluges über sie wissen, weil es gibt sie ja schon lange genug und es wurde schon so viel darüber gesagt, dass man wohl schon selbst ganz viel wissen müsste das eine oder andere „Ach. Natürlich. Hier haben wir einen klassischen Rubens.“ über beleibte nackte Menschen flöten sollte. Das überfordert mich wahrscheinlich ein bisschen. Außer vielleicht Rubens.

 

Bei moderner Kunst habe ich das Gefühl, dass sie an mich höchstens den Anspruch stellt, etwas Kluges zu sagen, dass ich mir selbst ausgedacht habe. (Es sei denn, sie nimmt Bezug auf irgendetwas, was man auswendig wissen sollte/könnte.) Oder man sagt und denkt gar nichts und lässt die Kunst sich unverstanden fühlen, was sie auch nicht so ungern tut.

 

Außerdem fallen unter moderne Kunst auch oft solche Installationen, die ich gerne zuhause zum Rumspielen hätte, vorallem wenn sie, und da ist dann wieder sowas wie die Sache mit dem Knöpfchen drücken, in irgendeiner Weise interaktiv sind. Das ist auch schön, weil Kunst sonst sooft Fragilität und Lichtschrankenalarmanlagen verkörpert, dass sie ziemlich unsympathisch und unnahbar wirkt.

 

Zumindest nahm ich mir vor, Museen etwas mehr Zeit und Hirn zu widmen. Auslöser hierfür war, dass ich in Amsterdam im foam (supertoll empfehlenswert) eine Fotoserie sah, die ich gut fand, und ein halbes Jahr später im Museum of Contemporary Photography in Chicago (Ähm. Eintritt frei!) aus Versehen nochmal. Und das war ein bisschen „MS. JAEGER, YOU ARE NOT PAYING ATTENTION.“ in leuchtend roten Buchstaben, insofern werde ich ab jetzt alles besser machen und Museenkram bewusster erledigen. Oder so.

 

Start war also die Pinakothek der Moderne irgendwann an einem Dienstag. Ich mag die Pinakothek der Moderne nicht so. Ehrlich gesagt finde ich sie ziemlich öde im Vergleich zu den meisten anderen Museen mit Moderner Kunst, die ich bisher sah aber es ist auch ein bisschen versnobt, zu bemängeln, sie könnte niemals mit dem Centre Pompidou in Paris, der Tate Modern in London oder dem MoMA in New York mithalten, denn München ist halt nicht Paris/London/New York. Früher stellte ich also versnobte Vergleiche mit dem MUMOK in Wien an, aber das ist auch eigentlich Quatsch, weil das MUMOK meistens hauptsächlich aus Sonderausstellungen besteht, die supertoll oder superöde sein können (alles schon erlebt) und in der Pinakothek doch immer ganz viel Dauerausstellungszeug ist, vor allem angewandte Kunst, die in Wien wiederum im MAK ist, also ganz woanders. (Guckt mal her, wie viel ich über Museen weiß. Das ist der Wein.)

 

Ich war sicher seit der Schulzeit nicht mehr in der Pinakothek der Moderne, und trotz allem wollte ich ihr also nochmal eine Chance geben, nachdem ich die quatschigen Vergleiche mal sein ließ. Außerdem interessierte mich eine Fotoausstellung über amerikanische Fotografie, die sich „True Stories“ nannte, was ein bisschen nach drogensüchtigen Prostituierten und verarmten lateinamerikanischen Einwanderfamilien in Wellblechbauten klang, die man ja sonst so selten in Fotoausstellungen sieht. Ich zahlte einen ermäßigten Eintritt von 7€, ohne die große Sonderausstellung, denn die hätte nochmal extra gekostet und das wagte ich zu boykottieren. (Oder auch: Mein Interesse daran hielt sich in Grenzen.) Zunächst fand ich dann heraus, dass eben diese Fotoausstellung nur einen Raum groß war, was ich so doof fand, dass das ganze Museum schon nach dreieinhalb Minuten bei mir praktisch gänzlich ausgeschissen hatte. Außerdem gefielen mir dann nur zwei Fotos wirklich gut, darunter das, was schon Teaser der Ausstellung war. Wenigstens hatten sie anstandsgemäß Portraits der Drogenjugend mit im Programm, denn die Drogenjugend ist die Unterhose der Fotografie.

 

Nach dieser derben Enttäuschung guckte ich mir eine Ausstellung mit Skulpturdingen an. Tja. Betrat einen Raum, dann war da eine ausgestopfte Hauskatze. Wenn man annimmt, dass sie Hauskatze eines natürlichen Todes starb, ist das an sich okay, trotzdem erinnerte mich das alles ein bisschen an Joseph Beuys. Beuys ist meiner Meinung nach nämlich die Unterhose der Skulpturenaustellungen. Zumindest in Europa. Aber immerhin hatte ich schon einen Raum betreten, der komplett Beuysfrei war. Und auch das Katzenviech hatte irgendjemand anders präpariert. (Nope, Chuck Testa does not taxidermize pets.) Ich war ziemlich froh, mich wie ein Idiot fühlen zu können, der von der Zusammenstellung von Kunstausstellungen doch überhaupt keine Ahnung hat. Dann ging ich in den nächsten Raum. Beuys. Dann noch einer mit Beuys. Und noch einer. Und noch fünftausenddreihundertneunundsiebzig weitere. Zweieinhalb Sekunden fand ich mich klug. Dann aber das Museum erneut voll blöd. Ich bin ja schließlich auch nur ein armer Proletarier, der nicht Kunstgeschichte studiert und kaum Gemälde kennt und überhaupt auch keinen Seidenschal trägt, wenn er ins Museum rennt, ich erwarte ein bisschen, dass mich eine Kunstausstellung überrascht. Oder so. Insofern finde ich es für mich ziemlich enttäuschend, wenn das dann überhaupt nicht der Fall ist. Das sieht aber wahrscheinlich jeder anders und ganz viele Leute freuen sich irrsinnig über Beuys und Drogenfotos, das ist auch gut so. Aber ich bin halt ein bisschen beleidigt, wenn mich ein großes architektonisch ansprechendes Museum nicht mit seinem Inhalt beeindruckt. Dass mir beim anschließenden kaum veränderten Bereich mit den Dauerexponaten nicht vor Erstaunen das Maul offen stehen blieb, muss ich wahrscheinlich gar nicht sagen.

Fazit: Orrr.

 

Eine Woche später war ich dann in Hamburg. Wo ich auch meistens nicht Tourist spiele und eigentlich selten daran denke, dass ich in ein Museum wollen könnte, wenn es nicht gerade jemand anspricht. Na gut, ich war vor ein paar Wochen alleine im Auswanderermuseum BallinStadt, was ich mir auch ganz alleine rausgesucht hatte, aber das war es dann auch schon. (Man konnte dort Knöpfe drücken.) Die Kunsthalle, in die immer alle kultivierten Hamburgbesucher gehen und begeistert sind, hatte mich bisher eher abgeschreckt, aus den ganz am Anfang genannten Gründen. Dann fand ich aber mittels sorgsamer Recherche heraus, die ich im Zuge meiner superguten Museumsvorsätze veranstaltete, dass es dort auch Kram gibt, der dem entspricht, was ich mir normalerweise gerne angucke. Besonders die Sonderausstellungen, die da zu der Zeit gerade waren. Außerdem wollte ich dann auch noch das Horizon Field in den Deichtorhallen sehen, wenn ich schon feierlich einen Museentag veranstalte. Insofern erfreuten Gizzy, Pablo, Rolf und ich zunächst eine spiegelnde Ebene mit Sockenfüßen, anschließend ließen wir Gizzy zurück, da sie ihrer Bildung nachgehen musste (kann ja nicht jeder Informatik studieren) und gingen dann zur Kunsthalle, was auch ziemlich toll war, und vor allem überraschend. Eigentlich hatte ich in der Sonderausstellung „Lost Places“ hauptsächlich Fotografien erwartet, dann waren da aber dunkle Labyrinthe, seltsame Dinge mit Öl und gruslige Räume. Rumspieldinge. Klasse. Und irgendwer meiner furchtlosen Begleitmänner schubste mich bei Gruselkram immer vor, was mir bewusst machte, dass ich niemals besonders viel Screentime als Horrorfilmfigur zu erwarten hätte. (Oder ich bin furchtbar mutig und darf doch nach Gryffindor.) Außerdem durften wir Bonbons essen, die eigentlich Ausstellungsstücke waren und gewährten ihnen sogar eine Lutschtime von einer halben Minute, bevor wir sie im Verlauf einer lebensrettenden Maßnahme ausspuckten.

 

Ach ja. Zeugenaussagen und Beweismaterial, mit dem ich meinen versnobten Hamburgvergleich zu stützen versuche, können während der Öffnungszeiten in den Ateliers Boomgaarden und Heimplatz (Ausstellung noch im Aufbau) besichtigt werden.

 

Und weil das gut war, bis auf den Geschmack der Bonbons, mag ich jetzt Museen wieder. Demnächst werde ich einmal etwas Unmodernes in München besuchen. Mal gucken, wie mir das gefällt. Und ob ich es schaffe, die Aufgabenstellungen in meinem Kopf zu ignorieren. Zumindest weit genug, das es mir nicht den Spaß verdirbt. Oder ich geh mal wieder ins Deutsche Museum, Knöpfe drücken.

 

PS Liebe Kinder, geht doch mal ins Museum. Es ist meistens gut dort und vielleicht gibt es auch lecker Bonbons.

 

Viele Grüße, eure Nina

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