Dingstag

Dies ist eine Geschichte über die traurige Tatsache, dass mein Alltag derzeit von wenigen spannenden Ereignissen geprägt ist. Deswegen freue ich mich, ständig weg zu sein, weil hier nämlich nicht so viel passiert. Mein Semester ist derzeit eine Veranstaltung, eine Vorlesung, die nicht stattfindet, da man sich doch auch die Podcasts von 2010 anhören kann, und die dazugehörige Übung. Die findet Dienstags statt. Dienstags ist also mein Abenteuertag. Mit einem Termin die Woche lohnt sich nämlich keine Monatskarte, insofern kann ich nicht gratis für achtzig Euro wann immer ich will in acht Ringen herumziehen, sondern muss da komplizierte Rechnungen anstellen, die darauf hinauslaufen, dass ich alles Dienstags tue.

 

Und das ist immer wahnsinnig interessant. Aufgepasst.

 

Meistens nehme ich den späteren Bus der zwei möglichen Busse, weil ich den früheren meistens verpasse. Dann kaufe ich mir beim meistens mürrischen Busfahrer ein Single-Tagesticket München XXL, denn das ist der exakte Name, der dafür erfunden wurde, und ich mich schrecklich fürchte, dass ich mit Tagesticket irgendwas Dummes bekommen würde, dessen Gültigkeitsbereich sich auf Fürstenfeldbruck und seine Satellitenstädte beschränkt. Anschließend würde ich, beim Reklamationsversuch, denke ich vom mürrischen Busfahrer, der eben das Ticket gerade extra für mich maschinell anfertigen hat lassen, in einem cholerischen Anfall bezüglich meiner fehlenden Wertschätzung seiner Arbeit mit seiner Pausenwurstsemmel erschlagen werden. Das versuche ich zu vermeiden.

 

Nachdem ich wegen dem langen Fahrkartennamen dann schon ziemlich lange mit dem Busfahrer gesprochen habe, verhalte ich mich den Rest der Reise unauffällig. In der S-Bahn sitze ich am liebsten am Fenster in Fahrtrichtung, Sonnenseite if available, und bin etwas beleidigt, wenn mir Leute Fensterplätze wegschnappen, die dann gar nicht aus dem Fenster gucken. Ich gucke schließlich immer aus dem Fenster und bin der festen Überzeugung, sollte sich jemand eines Tages eine Leiche mittelgut neben dem Gleis verstecken, ich würde sie am ehesten sehen. Der Leichengedanke ist aber insgesamt nur ein Versuch, sich in Waldjogger mit Hund hineinzuversetzen, die schließlich tagtäglich verscharrten Leichen begegnen, glaube ich.

 

 

Meistens hat dann irgendwann ein Fahrkartenkontrolleur einen Gastauftritt. Es ist ja ziemlich wichtig, dass die Exekutive das dreiste Passagierpack in die Schranken weist. Manchmal hat man aber Glück und die Instanzen der Exekutivgewalt sind ordentlich gekleidet, stinken nicht, und sind so kompetent, dass man ihnen nicht das Tarifsystem erklären muss, weil sie einen fälschlicherweise voreilig der versuchten Teilschwarzfahrerei bezichtigen.

 

Die Reise führt dann weiter, vorbei an mindestens drei kaputten Rolltreppen, denn wie sich herausgestellt hat, ist artgerechte Haltung von Rolltreppen im Münchner Klima äußerst schwierig, weswegen die Lebenserwartung von in Gefangenschaft lebenden Rolltreppen derzeit bei etwa alarmierenden 3,7 Tagen liegt. Etliche Münchner Rolltreppen befinden sich deshalb momentan in pathologischer Behandlung. Trotz ihrer einmaligen Change haben U-Bahn-Treppen übrigens noch nicht aufgehört, ziemlich gruselig dunkel und verwinkelt zu sein.

 

In der Uni angekommen, habe ich dann den Türcode vergessen, weil ich den Türcode nicht mehr kann, seit er vor einem halben Jahr geändert wurde. Natürlich habe ich ihn notiert, trotzdem mag ich nicht und er sicher so sinnfrei wie der alte, dessen ASCII-Werte ich mal vor und zurück mathematisch durchgematscht hatte, ohne Ergebnis. Erwarte bei dem neuen Code eine ähnliche Enttäuschung. Man muss sich dann eben, dass selbst eine Informatikinstitution nicht liebenswürdig genug ist, ihrem vierstelligen Türcode ein Geheimnis mitzugeben. Dabei gäbe es so viele Möglichkeiten.

 

Meine Univeranstaltung an sich dauert dann meistens so zehn Minuten oder findet nicht statt. Meistens haben es meine anderen Unimenschen auch vergessen, aufzutauchen, manchmal taucht einer auf, hat schlechtes Gewissen, dass er nie auftaucht und bringt mir Muffins mit. Letzteres ist besser.

 

Nach der Uni geh ich mir dann etwas zu Essen und Trinken kaufen. Meistens ist dabei irgendeine Flasche mit Kronkorken involviert und ich, die ich keinen Flaschenöffner besitze. Oder, wie heute, mir extra einen suche und dann vergesse, einzupacken. Es ist nämlich eine prinzipielle Sache, wie ich seit vorletztem Dienstag keine Getränke mehr beim Getränkemann kaufe, der mir meine Flasche stets öffnete, aber dann letztens eben mitteilte, er habe diesen Cider nicht, den ich hätte probieren wollen, für immer sei der weg und wird niemals mehr nachgeliefert. Und es steht immer noch die letzte Flasche neben der Flasche Astra im Schaufenster, was mich ziemlich traurig macht, denn ein richtig netter Getränkemann hätte mir die ohnehin irrelevante Schaufensterflasche ruhig geben können. Insofern werfe ich jetzt all mein Geld in Supermärkte. Da ist es ohnehin billiger. Was sich zugegebenermaßen etwas erübrigt, wenn man sich dann einen Flaschenöffner dazu kaufen muss, der das Doppelte des restlichen Einkaufs kostet.


 

 

Danach kam an diesem speziellen Dienstag zum Einsatz, was ich schon lange plante, nämlich wieder ein bisschen mehr in Museen herumzuhängen, und zwar in denen, in Städten, wo ich öfter bin, und nicht nur kurz auf Urlaub, denn da bin ich ohnehin schon öfter in Museen. Für diesen speziellen Dienstag war die Pinakothek der Moderne vorgesehen, weil mich eine Fotoausstellung interessierte, die dort gerade ist, und ich noch dazu mehrere Jahre dort nicht war. Dann war ich unglaublich enttäuscht, fuhr traurig nach Hause, verlor allen Glauben an deutsche Kunstmuseen und regenerierte ihn eine Woche später in Hamburg. Aber das ist eine andere ziemlich traurige Geschichte. (Zu der es wohl auch ziemlich beeindruckendes Bildmaterial gibt, welches sich derzeit nicht in meinen Händen befindet. Man wird abwarten müssen.)