Die wundersame Geschichte, wie ich Japanisch lernte (und nach Japan wollte)

Ich versuche jetzt, hier wieder was zu tun und Dinge zu schreiben, die ich schon ewig schreiben wollte, aber mir dachte, ich müsste mal mit dem Anfang anfangen. Oder vielleicht müsste ich vor dem Anfang noch das hässliche Layout ändern, aber das konnte ich nicht gut genug, also entschied ich mich für die Schreiben-Lösung, tadaa.

 

Hier ist etwas, was ich fünfhundert Mal gefragt wurde:

 

Die wundersame Geschichte, wie ich Japanisch lernte (und nach Japan wollte)

 

Ich hab für Asien durchaus was übrig. Das war schon immer so, seit ich das erste Mal irgendwo dort war – das war 2005 in Singapur. Ich mag die Menschen, die Kultur, das Essen und hab einen ziemlichen Soft Spot für Wet Markets und überhaupt frisch abgemurkste Speisefische.

 

Das ist die eine Sache. Die andere ist, dass ich Sprachen mag, obwohl ich an sich nicht gerne spreche. Das klingt sehr paradox, aber an sich verstehe ich gerne Dinge. Es ist zum Beispiel gut, dass ich mal so mittelmäßig Französisch lernte, weil ich mir ein bisschen Spanisch und Italienisch erschließen kann und es so weniger wahrscheinlich ist, irgendwas komplett falsch zu verstehen und aus Versehen zu sterben. Das ist total praktisch für unterwegs.

 

Trotzdem ist meine optionale Sprachenkarriere zunächst eine sehr traurige. Grundpfeiler hiervon sind, dass ich zunächst nichts tat. In der Schule denkt man ja, man hat den grausamsten Vollzeitjob aller Zeiten und es ist vollkommen unfair dem Hirn gegenüber, ihm noch mehr reinzudrücken, weil das Leben ohnehin schon so furchtbar hart ist. Außerdem gibt es ja nicht so viele Möglichkeiten. Volkshochschule, besonders auf dem Dorf, ist blöd und überhaupt. Wenn man Glück hat, bietet dann die Schule irgendwas an. Meine Schule bot ein bisschen Chinesisch an, zum Beispiel. Das passte mir supergut in den Kram, schließlich kannte ich ganze zwei Mädchen in Hong-Kong von einer Sprachreise in England – wo meine besten Freunde die Hong-Kong-Gang und Japaner waren. Siehe oben zu „ich mag die Menschen.“ Wobei ich zu allen Japanern den Kontakt verlor, weil sie damals kaum Englisch konnten – die Hong-Kong-Gang aber perfekt. Eigentlich hätte mich ja folglich Kantonesisch mehr interessiert als Mandarin, obwohl ich bis heute keine echte Ahnung habe, wo die Unterschiede liegen, aber mir ist bewusst, dass es welche gibt. Und dass für die Hong-Kong-Gang das eine nützlicher ist als das andere. Aber ich wollte mal gucken, wie der Kram mit den Schriftzeichen so funktioniert.

Das tat ich aber nur so halbherzig. Das heißt, ich fragte einmal nach, als das neu war. Da war ich in der Kollegstufe. Da sagten sie zu mir, dass das eigentlich für untere Klassenstufe gedacht wäre und dann war meine Motivation auch schon wieder weg und ich bettelte nicht, obwohl das bestimmt Erfolg gehabt hätte. Mir fiel auf, dass sich meine Sympathien mit Nicht-Hong-Kong-China sowieso ein bisschen in Grenzen halten. Vielleicht auch, weil mich eine alte Chinesin in Bangkok mal sehr, sehr anschrie, weil sie behauptet hatte, ich hätte etwas von ihrem Schrottstand im Vorbeigehen kaputt gemacht. Alles, was schreit, ist nicht so cool.

 

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Also lernte ich dann kein Chinesisch sondern studierte. An der Uni gab es Sprachkurse, aber ich gucke erstmal nicht, weil ich als Studentin den grausamsten Vollzeitjob aller Zeiten hatte und es wäre meinem Hirn vollkommen unfair gewesen, ihm noch mehr reinzudrücken. Also studierte ich meine Medieninformatik. Das war okay, aber ein bisschen vermisste ich andere Dinge, weil ich kein vollkommenes One-Trick-Informatik-Pony bin, auch wenn ich es manchmal gerne wäre. Das sag ich jetzt, ein paar Jahre später. Damals dachte ich: „Das muss so. Das ist Studieren.“ Und ich hielt die Klappe.

 

Irgendwann tauchte dann Japanisch auf meiner Bildfläche auf. Und in sämtlichen Timelines und so weiter. Das war ein sehr tückischer, schleichender Prozess. Die Sache mit Japan ist, dass man, wie ich, glaubt, man hätte ein bisschen eine Ahnung von allem, denn man hatte ja Pokémon und Studio Ghibli Filme und Sushi mit Avocado. (Und alle, die sich mehr damit auskennen, färben sich die Haare blau und hüpfen auf Cons rum) Und dann merkt man, dass man eigentlich nichts weiß. Mir ging es so, als ich zum ersten Mal ein paar mehr Japanfotos anguckte. (Und ich hörte von Leuten, dass es ihnen so ging, als sie meine Instagram-Japanfotos anguckten. Ha!) Ich war dann tieftraurig und in meinem Stolz verletzt, wo ich doch nebenberuflich Asien hype. Und irgendwie war Japan so sehr Japan, während mir die westliche Verprotzung Städte wie Singapur munter weiter wegfraß. Dazu muss man sagen, dass Japan sicher immer schon recht weit oben auf meiner Reiseliste stand, aber eher wegen normalhoher Interessenspriorität.

 

Nachdem ich also festgestellt hatte, dass ich nichts über Japan weiß, stellte ich als nächstes fest, dass auch nichts über Japanisch weiß. Nichts bedeutet hier: Weniger, als ich gewusst hätte, wenn ich mir mal den ersten Absatz Wikipedia durchgelesen hätte. Also nichts-nichts. Das störte mich dann. Wie schon gesagt, verstehe ich gerne Dinge. Beziehungsweise: ich verstehe gerne, wie Dinge funktionieren. Und wie eine Sprache funktioniert, die komische Zeichen verwenden und nicht das was ich kenne, verstehe ich nicht. Und manchmal sind da komplexere Zeichen und manchmal ganz einfache und überhaupt. Warum lernte ich überhaupt nur Sprachen, die alle ähnlich aussehen? Statt diesem einen Jahr Italienisch in der Elften hätten sie uns ruhig auch was Quatschigeres beibringen können. Inuktitut! Inuktitut hat einen agglutinierenden Sprachaufbau. Voll interessant. (Damit wusste ich mehr über Inuktitut als über Japanisch. Japanisch hat das nämlich auch.)

 

Ich hätte mir auch selbst irgendwas beibringen können, aber darin bin ich nicht gut, besonders nicht bei ganz elementaren Sachen, die ich noch nie gehört habe. Da ist es schon besser, wenn da jemand kommt, der Ahnung hat, also wollte ich einen Kurs machen. Freiwillig, aber auf einigermaßen hohen Niveau, wie in der Schule. Mit Hausaufgaben und sowas. Und mehr als zwei Wochenstunden.

 

Dann redete ich mir ein, ich dürfte das nicht, weil Leute darüber doof reden würden, sollte sie es jemals herausfinden. Das war auch der Grund, warum ich mich bei meinem ersten Versuch, vor zweieinhalb Jahren von einem hässlichen mit sterbendem Filzstift geschrieben Zettel „Japanisch voll“ abhalten ließ. Wahrscheinlich hätte ich reingehen sollen und betteln. Ich war schließlich im strömenden Regen von meinem Seminar davor ins Japan-Zentrum gerannt, extra zu dem dooferen späten Termin und dann stand ich da und klopfte nicht mal und ließ mich von einer Seniorenstudentin trösten. (Die Leute hätten ja sowieso doof geredet.)

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Danach wollte ich allerdings immer noch Japanisch lernen. Ich argumentiere noch immer blöd rum, um mich zu verteidigen, warum ich denn Japanisch nahm, aber so im Nachhinein war es das Coolste und Logischste, was ich machen konnte. Ich wollte eine ganz andere Sprache lernen, möglichst Asiatisch, was mit anderen Zeichen, ich wollte, falls ich mal nach Japan fahre, irgendwas vorher wissen, sowas wie „Danke“, weil ich gehört hatte, dass man mit Englisch in Japan nicht zwangsweise besonders weit kommt. Ich wollte mich nicht von einer cholerischen Chinesischlehrerin anschreien lassen, weil ich irgendwas, was man auf 325 weisen betonen kann, falsch betone – Sprechen ist ja sowieso nicht so ganz meine Stärke. Ich will ja auch nur mal gucken, wie so eine Sprache funktioniert, und dann kann ich jederzeit aufhören. Und ich kann ja auch mal ausnutzen, dass ich an einer großen Uni bin, die sowas anbietet. Wenn ich schon keinen Hochschulsport mag.

 

Das waren meine sorgsam zusammengelegten Argumente, als ich das dann ein Jahr später wieder versuchte, obwohl ich eigentlich Vollzeit Bachelorarbeit schreiben hätte sollen. Ich schrieb sogar vorher an die Dozentin eine Jammermail (was ich noch nie tat), dass ich unbedingt in den Kurs will, dass sie im Zweifelsfall den letzten freien Platz dem Mädchen mit der herzzerreißenden Jammermail geben würde. Ich campte eine dreiviertel Stunde vor dem scheiß Raum (was ich noch nie tat) und dann nahm ich mir vor, niemals im Internet darüber zu sprechen. (was ich noch nie tat. Wegen der Leute.) Überraschung, die Dozentin war lieb, gab mir einen Platz, den sie mir schon nach der Jammermail geben hätte wollen, hätte sie genügend Deutsch gekonnt. (Echte Japaner. Yay yay.)

 

Und dann passierte der ekelhaft kitschige Teil, bei dem sich der Himmel öffnete und es Einhörner und Glitzer regnete: Ich mochte das total. Ich fands gut, endlich mal wieder was zu lernen, wo ich merkte, dass ich was lerne. So Dinge, die einem im Leben begegnen könnten. Wie ich mit ständig „krasser Scheiß.“ denken musste, wenn ich irgendwas schrieb oder las und verstand, das kompliziert aussah. Gutes Gefühl. Sehr kitschig, aber auch sehr gut. Ich kopierte mir Vokabellisten für die S-Bahn, oder ließ mich Kanji abfragen und es war keine echte Verpflichtung, wie mein Hauptfach, sondern irgendwie egal. Wahrscheinlich so, wie Sport für Leute ist, die Sport machen.

Und obwohl ich dann ungefähr Weihnachten so das Ziel erreicht hätte, das ich mir eigentlich gesteckt hatte, wollte ich dann nicht mehr aufhören. Außerdem fand ich genügend japanische Dinge, die mir total Spaß machen, und an die ich mich vorher nicht so recht ran traute. Hi, ich spielte das älteste Pokémonspiel auf japanisch durch! Das ist unglaublich cool. Und ich bin ein bisschen beleidigt auf mein Vergangenheits-Ich, dass es sich die „Mila Superstar“-Box ohne japanische Tonspur kaufte, weil ich nicht verstehe, wie es denke konnte, dass die Originalsprache bei Anime keinen so Unterschied macht. (DOCH. DOCH. DOCH. VERDAMMT.)

Ernsthaft, welche andere Sprache hätte mir Pokémoncontent geben können? Na also.

 

 

 

Das war die Geschichte, wie ich anfing, Japanisch zu lernen. Jetzt kann ich dann vielleicht mal Dinge erzählen, wie ich letzten Sommer nach Japan reiste, aber ich dachte, ich sollte das hier vielleicht mal vorher sagen. Wahrscheinlich hätte ich mich nämlich ohne Japanischkurs niemals cool genug gefühlt, ganz alleine für einen Monat nach Japan abzuhauen. :)

 

Oh, Moral: Lernt Sprachen, wenn ihr Sprachen lernen wollt. Und an der Uni geht das besser als sonst irgendwo. Nämlich gratis, meistens von Muttersprachlern und mit Hausaufgaben und Klausuren. (YAY!) Sonst geht halt zum Hochschulsport oder so.

 

(Letztendlich hat übrigens niemand der Leute jemals was Doofes gesagt. Alle Aufregung umsonst. Hmpf.)

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